In unserem Blog möchten wir über unsere Erlebnisse und Erfahrungen erzählen und berichten, auf welche Barrieren wir als Gehörlose/Taube in unserem Leben im Saarland stoßen, z.B. in der Gesellschaft, in der Freizeit, in der Schule oder im Beruf. Dabei haben wir sicherlich eine andere Perspektive als "Fachleute"... und möchten uns auch politisch und sozial für unsere sprachliche und kulturelle Minderheit engagieren.
Über eure Kommentare über Erfahrungen, Meinungen, Anregungen usw. würden wir uns freuen.
Wie ein Besuch von Angehörigen im Krankenhaus für eine taube Person aussieht?
Maja hat einen Bericht darüber für unsere Website geschrieben:
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Vor kurzer Zeit habe ich eine Situation beobachtet, von der ich erzählen möchte:
Ein Besuch im Krankenhaus ist derzeit für alle Menschen eine komplizierte Sache, weil man viele Regeln beachten muss. Weil sowohl Beschäftigte im Krankenhaus als auch Besucherinnen und Besucher eine Maske tragen müssen, ist die Kommunikation schwieriger geworden. Das gilt auch für hörende Personen, wie ich selbst eine bin, denn oft versteht man das Gesprochene nur schlecht.
Bei einem solchen Besuch habe ich beobachtet, dass die Situation für Gehörlose noch sehr viel schwerer ist.
Wegen der Maske gibt es keine Möglichkeit, vom Mund abzulesen. Ohne Mundbild und Mimik ist aber eine Verständigung nur noch schriftlich möglich, wenn kein Dolmetscher zur Verfügung steht!
Dies bedeutet, dass Gehörlose z.B. bei einem Arztgespräch nur sehr eingeschränkte Informationen bekommen, weil das Schreiben viel zu lange dauert. Sie haben außerdem weniger Gelegenheit, etwas nachzufragen, um sicher zu gehen, dass sie alles verstanden haben.
In einer akuten Situation, wie z.B. bei einem Notfall, ist es unrealistisch, einen Dolmetscher zu bekommen. Es ist aber wichtig, gehörlosen Patienten oder auch Angehörigen alles genau zu erklären und ihre Fragen zu beantworten
Meiner Meinung nach sollten alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, (aber auch bei Polizei und Feuerwehr) einige Grundregeln für die Kommunikation mit gehörlosen Menschen beherrschen, wie z.B. ständigen Blickkontakt zu halten.
Sie sollten wissen, wie wichtig Mimik und Mundbild für die Verständigung sind. Sicher könnte man mit größerem Abstand auch die Maske kurz abnehmen.
Zusätzlich braucht es einen Grundwortschatz in DGS.
Außerdem sollte es in Krankenhäusern auf jeder Station Beschäftigte geben, die die Gebärdensprache erlernen und regelmäßig ihre Kenntnisse auffrischen. Dann gelingt endlich eine barrierefreie Kommunikation!
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Vielen Dank, liebe Maja!
Über eure Kommentare würde ich mich sehr freuen!
Vorurteil...?
Ihr habt vielleicht mitbekommen, dass laut SR vorgestern ein Gerichtsurteil gegen einen „42-jährigen Taubstummen“ aus dem Saarland gefällt wurde.
https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/panorama/landgericht_verurteilt_taubstummen_taeter_100.html
Ich frage mich, warum vom SR darauf hingewiesen wird, dass der Verurteilte gehörlos ist. Ich kenne ihn, er hatte eine schwere Kindheit, ist psychisch krank, aber nicht stumm, und baut viel
Mist, aber das machen andere auch.
Für uns ist das ein extremes Vorurteil. Das macht unser Leben noch schwerer, weil die gesunden Menschen dann häufig denken, dass wir alle Krimineller oder
ähnliches seien, nur weil wir auch taub sind.
Und noch was: Das Wort "taubstumm" wird heute aber nicht mehr gesagt, selbst der Duden weist im entsprechenden Eintrag darauf hin. Die Bezeichnung "taubstumm" empfinden Gehörlose häufig als Diskriminierung. Denn die allermeisten Gehörlosen sprechen, und zwar mittels Gebärdensprache. Danke!
Über Kommentare würde ich mich sehr freuen!
Von Peter geschrieben!
#1
Datum: 26. Juni 2021
Name: Laura H.
Kommentar: Lieber Peter,
dass der SR hier den Begriff "taubstumm" nutzt finde ich auch sehr schade! Hörende wissen es häufig nicht besser und denken gar nicht über die Verwendung des Begriffes nach. So ging es mir zumindest früher. Wie gut, dass ich deine Kurse besucht habe! Und Journalisten sollten es eigentlich besser machen...
Die Kurzbeschreibung von Personen finde ich auch häufig diskriminierend. Vor allem, weil sie so uneinheitlich gebildet wird. Mal wird das Geschlecht und Alter, die Nationalität und der Beruf oder etwas anderes zur Kurzbeschreibung einer Person genutzt. Hier die Hörfähigkeit. Ich fände es schön, wenn man sich auf eine einheitliche Beschreibung festlegen könnte, zB immer Alter und Geschlecht zu nutzen. Unter dem Aspekt fände ich es persönlich am wenigsten diskriminierend.
LG Laura
08.12.2020 - Update (Siehe bitte blaue Schrift!)
Sind wir nicht glaubwürdig?
Im Rahmen der Corona-Krise wurden immer mehr Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache bei öffentlich-rechtlichen und regionalen Sendern eingesetzt, um die Informationen darüber für tauben Menschen barrierefrei wiederzugeben. Neben der Gebärdensprache wurden die Informationen natürlich auch mit Untertiteln (UT) in Fernsehen und Internet verbreitet.
Wir sind der Gebärdensprache mächtig und haben uns immer gefreut, überall in Deutschland eine in Gebärdensprache gedolmetschte Sendung sehen zu können und uns dadurch in Gebärdensprache richtig informieren zu lassen.
Uns ist ja bekannt, dass die Gebärdensprachdolmetscher*innen in ganz Deutschland ihre professionellen und überzeugenden Auftritte im Fernsehen bzw. Internet und auch bei öffentlichen Veranstaltungen bzw. Bereichen enorm ausgebaut haben und dass sie durch Abschlüsse und anschließend regelmäßige Fortbildungen hochqualifiziert sind.
Im Gegensatz dazu wurden aber bei uns im Saarland von Auftraggebern für alle öffentliche Bereiche direkt oder indirekt nicht nur hochqualifizierte, sondern auch nicht qualifizierte Dolmetscher*innen herbestellt.
Ehrlich gesagt: Wir sind oft von der inhaltlichen Qualität der Dolmetschleistung nicht begeistert, da wir die von nicht geprüften Dolmetscher*innen gebärdeten Inhalte manchmal bis oft schwer verstanden haben. Ich gehe davon aus, dass sie nicht in der Lage waren, die vollen Inhalte des Gesprochenen so schnell wie möglich und zeitgleich zu übersetzen.
Ich habe meine Kritik bzw. mein Feedback direkt an diese Dolmetscher gerichtet und auch hier im Blog darüber geschrieben, wurde von ihnen aber ignoriert bzw. (indirekt) blockiert. Eine Dolmetscherin sagte mir sogar, dass sie bei gehörlosen Eltern aufgewachsen sei und ich keine Ahnung hätte. Eine andere behauptete, dass sie bei der Veranstaltung wirklich alles übersetzt habe. Sie hat meine Kritik nicht ernst genommen und wollte mir stattdessen ihre Selbsteinschätzung „vorschreiben“. Die nötige Selbstreflexion fehlt ihr wohl aber leider.
Kleine Anmerkung: Die Namen dieser Dolmetscher*innen möchte ich nicht nennen, da ich sachlich bleiben möchte! Diese Personen sind aber überhaupt nicht meine Zielscheibe, sondern es geht mir lediglich um das Recht aller tauben Menschen auf vollständige und korrekte Übermittlung von Informationen. Außerdem wissen diese Personen sicher schon, was sie eigentlich tun müssen!
Und an die Auftragsgeber*innen aller öffentlichen Bereiche habe ich bereits des Öfteren geschrieben, mit der Bitte um einen Nachweis, sodass die Gebärdensprachdolmetscher*innen für den Einsatz in allen öffentlichen Bereichen qualifiziert sein sollten. Dies wäre insofern die optimalste Lösung, da ich mir ganz sicher sein kann, dass die staatlich geprüften Dolmetscher*innen in der Lage sind, eine vollständige Übersetzung gelassen und professionell abzuliefern.
Leider musste ich mit Entsetzen feststellen, dass viele Auftraggeber*innen lediglich einen geringen Wissenstand über die Voraussetzungen von Gebärdensprachdolmetscher*innen haben. Leider wurde ich diesbezüglich bislang nicht ernst genommen oder es wurde sich quer gestellt. Typische Standardantworten, die ich auf mein Anliegen hin erhalte, lauten wie folgt: „Es gibt keine Beschwerden!“. Außerdem ist die Schreibweise in den E-Mails der Auftraggeber*innen manchmal sehr unsachlich.
Ich gebe den Auftraggeber*innen zum Teil Recht. Das einzige Problem ist, dass es bisher kaum Beschwerden wegen der schlechten Dolmetschqualität gab. Ein logischer Grund hierfür ist, dass die Auftraggeber*innen und selbst taube Menschen, die im Grunde nicht über alle Informationen über unsere Sprache verfügen und folglich die Übersetzung auch nicht „kontrollieren“ können und nicht wissen, welche Voraussetzungen ein*e Dolmetscher*in erfüllen muss. Leider werden von tauben Menschen oftmals Aussagen wie „besser als gar nichts“ bzw. „gut genug“ getroffen. Wer spricht dagegen?
Ich bleibe bei diesem Satz „Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, „wer gebärden kann, kann automatisch dolmetschen“.
Vor kurzem sicherte man mir zu, dass ein Gespräch zum zentralen Thema „Versorgung der Gebärdensprachdolmetscher im Saarland“ im nächsten Jahr geben wird. Ich begrüße dieses Vorhaben sehr und hoffe, dass einige Auftragsgeber*innen, vor allem vom SR-Rundfunk, vom Landtag, vom Amtsgericht und von der Dolmetscherzentrale, zu diesem Gespräch eingeladen werden und bin auf die Entwicklungen dieses Gesprächs gespannt.
Unser bekanntes Motto lautet: „Nicht über uns, sondern mit uns!“
Nun muss ich bis zu diesem Termin weiterhin Überzeugungsarbeit leisten, um glaubwürdig zu sein.
Es kam mir die Idee, eine kleine schriftliche Anfrage mit 3 „speziellen“ Fragen zu versenden. Diese werden nachfolgend aufgelistet:
an
Überraschenderweise haben mir alle zeitnah geantwortet. Dafür bedanke ich mich sehr. Eure Antworten haben mir sehr weitergeholfen. Nochmals vielen Dank für Eure Unterstützung!
Ihr könnt die Antworten hier lesen:
Gehörlosenverein „Bleib Treu“ unter dem Vorsitz von Frau Sigrid Meiser-Helfrich:
Zu 1)
Gebärden = sprechen, also die Gebärdensprache zu benutzen - sei es als Lautsprachunterstützende Gebärde, lautsprachbegleitende Gebärden oder Deutsche Gebärdensprache.
Dolmetschen = übersetzen - im Idealfall von staatlich geprüften Dolmetscher*innen für Deutsche Gebädensprache bzw. staatlich geprüften Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache von gesprochener Sprache in Deutsche Gebärdensprache und umgekehrt (voicen)
Zu 2)
Natürlich ist diese Prüfung wichtig! Nicht geprüfte Dolmetscher*innen dürfen meiner Meinung in der Öffentlichkeit gar nicht eingesetzt werden. Ganz besonders auf der Ebene der Informationspolitik, der Landesregierung und der gesetzgebenden Ebene, wobei eigentlich nicht betont werden müsste, dass Menschen mit Hörbehinderung das Recht auf stattlich geprüfte Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache haben.
Geprüfte Dolmetscher*innen erfahren eine spezielle Ausbildung, arbeiten nach dem festgelegten Berufs- und Ehrenkodex und man kann sich auf die Qualität der Übersetzungen verlassen, dass die Dolmetscher*innen z. B. den gesamten Inhalt eines Vortrages oder eines Gesprächs oder einer Konferenz vollinhaltlich und korrekt übersetzen. Wir Gehörlosen haben das Recht darauf, alles in gleichem Umfang mitzubekommen und zu verstehen wir Menschen ohne Hörbehinderung - und dies ist nur mit geprüften Dolmetscher*innen möglich.
Zu 3)
Nein, auf keinen Fall! Wenn jemand, der gehörlose Familienmitglieder hat, ein Studium der Gebärdensprache oder eine Ausbildung zum staatlich geprüften Gebärdensprachdolmetscher*in absolviert und dies erfolgreich mit bestandener Prüfung abschließt, dann steht es ihr/ihm natürlich frei, als Dolmetscher*in für Deutsche Gebärdensprache zu arbeiten und in diesem Fall auch in der breiten Öffentlichkeit zu dolmetschen.
Die Zugehörigkeit zu einer "gehörlosen Familie" allein befähigt in keiner Weise dazu, als Dolmetscher*in aufzutreten, schon gar nicht in der Öffentlichkeit.
Personen ohne Ausbildung und die fehlenden Nachweise über Prüfungen, Berufsordnung und Ehrenordnung sollten das Kriterium dafür sein, diese Personen nicht als Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache einzusetzen. Menschen, die in Familien mit Gehörlosen aufwachsen beherrschen selten die Deutsche Gebärdensprache in vollem Umfang, vielmehr haben sich hier die Familienmitglieder ihre speziellen "Familien-Gebärden" untereinander angeeignet, die in der Öffentlichkeit gar nicht verstanden werden. Außerdem benutzen die meisten Angehörigen von gehörlosen Familien die Gebärdensprache nur selten, sondern die Gehörlosen können in der Familie am allgemeinen Gespräch gar nicht teilnehmen, weil die Gebärdensprache fehlt. Diese hörenden Familienmitglieder dann in der Öffentlichkeit dolmetschen zu lassen, nur weil es Gehörlose in der Familie gibt, ist ein Unding. Ich dolmetsche ja auch nicht englisch, obwohl ich englische Brieffreunde in verschiedenen Ländern habe. Auch in anderen Sprachen gibt es sowas nicht, da werden jeweils geprüfte Dolmetscher*innen eingesetzt, z. B. Russisch, türkisch, italienisch ... nur auf dem Gebiet der Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache wird argumentiert, dass gehörlose Familienmitglieder ausreichend sind. Das ist diskriminierend und benachteiligt uns so, dass gleichberechtigte Teilhabe für uns nicht möglich ist.
Familienangehörige von Gehörlosen, die als ungeprüfte "Dolmetscher*innen" eingesetzt werden, sind bei den Einsätzen hoffnungslos überfordert: unsicher, können den Inhalt nicht in Gebärdensprache umsetzen und auch das Tempo nicht halten. So ergibt sich ein Mischmasch aus "Wortfetzen", unzusammenhängenden Inhaltsfetzen und dem Hinterherhinken der Dolmetscher*innen. Daraus resultiert, dass wir Gehörlose dem Inhalt nicht mehr folgen können und deshalb auch die Zusammenhänge nicht mehr verstehen und so außen vor bleiben. Zur Beurteilung der Qualität von Gebärdensprachdolmetscher*innen sollten Gehörlose mit einbezogen werden und ein Mitspracherecht bei der Beurteilung erhalten - insbesondere auch solche, die für die Aufgabe kompetent sind, z. B. staatlich geprüfte Dozenten für Deutsche Gebärdensprache.
Der Einsatz von geprüften Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache sollte auch bei uns so selbstverständlich sein, wie in anderen Ländern auch.
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Tanja Lilienblum-Steck, staatlich geprüfte Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache (Berufserfahrung seit 2001):
Zu 1)
Dolmetschen bedeutet, eine Botschaft in einer Sprache zu empfangen, den Inhalt herauszufiltern und diesen dann in einer anderen Sprache wiederzugeben. Hierbei kommt es nicht unbedingt darauf an, dass ich die gleichen Worte verwende, sondern dass der Inhalt und die gewünschte Zielbotschaft beim Empfänger ankommen. Um das zu erreichen, benötige ich ein großes Wissen und eine große Kompetenz in beiden Sprachen und beiden Kulturen.
Wenn ich selbst gebärde, bedeutet das, dass ich selbst entscheide, was ich erzähle, wie schnell ich das erzähle und wie ich das formuliere. Das heisst, ich kann mich in einer Sprache, die ich noch nicht perfekt beherrsche, gut unterhalten, weil ich selbst bestimmen kann, welche Wörter ich verwende und welche grammatikalischen Konstruktionen. Das geht beim Dolmetschen nicht - da muss ich mich nach dem jeweiligen Sprecher richten.
Zu 2)
Eine Prüfung - egal ob die staatliche Prüfung oder eine Diplomprüfung - bestätigt, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Leistung erbracht habe. Das bedeutet, ich habe einen bestimmten Mindeststandard nachgewiesen und somit hat mein Auftraggeber die Sicherheit, dass ich diesen Mindeststandard erfüllt habe zum Zeitpunkt meiner Prüfung.
Zu 3)
Es ist spannend, dass diese Frage gerade im gebärdensprachlichen Kontext gestellt wird. Es käme wohl kaum ein Mensch auf die Idee, sich nach ein paar Italienisch-VHS-Kursen auf eine Bühne zu stellen und eine öffentliche Veranstaltung zu dolmetschen in dieser Sprache.
Eine Dolmetschausbildung beinhaltet neben dem Sprachunterricht eine Vielzahl von anderen Unterrichtseinheiten, wie zum Beispiel Dolmetschtechnik, Gedächtnistraining, Ethik, und das aus gutem Grund. Der Beruf eines Dolmetschers bringt eine hohe Verantwortung mit sich. Es besteht, um eine gute Leistung zu erbringen, die Notwendigkeit, sich und seine Tätigkeit immer wieder zu reflektieren, sein Wissen stets zu erweitern, im Team zu arbeiten und sich schnell und kompetent in neuen und ungewohnten Situationen zurechtzufinden und neue Sachverhalte schnell und präzise aufzunehmen und wiederzugeben.
Es genügt also nicht, verschiedene Sprachen zu beherrschen, um gut dolmetschen zu können. Wenn ein Auftraggeber also sicherstellen möchte, dass der von ihm gebuchte Dolmetscher über die gewünschte Kompetenz verfügt, dann sollte er jemanden wählen, der diesen Beruf erlernt hat und durch eine Prüfung nachgewiesen hat, dass er ihn auch beherrscht.
Noch eine Bemerkung: Ganz generell sollten Auftraggeber auf die Expertise der Taubencommunity zurückgreifen und bei Unsicherheit nachfragen, welchen Dolmetscher oder welche Dolmetscherin sich denn der taube Kunde wünscht, denn er ist derjenige, der beurteilen kann, mit wem die Kommunikation für ihn am besten funktioniert.
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Thorsten Rose, staatlich geprüfter Dolmetscher für Deutsche Gebärdensprache (17 Jahre Berufserfahrung) und Coda (Children of Deaf Adults, also Kinder, deren Eltern taub sind):
Zu 1)
Der Unterschied liegt zum einen darin, dass man sich beim gebärden (mit Freunden oder Anderen) immer korrigieren kann, und die Geschwindigkeit der Unterhaltung steuern kann. Beim Dolmetschen ist das nicht möglich.
Zu 2)
Eine Prüfung ist schon sehr wichtig. Auch wenn es nur eine Momentaufnahme ist, ist doch damit gesichert, dass die Person geprüft wurde. Allerdings muss im Anschluss die Qualität durch Fortbildungen hoch gehalten werden. Dafür eignet sich z.B. ein Punktesystem für absolvierte Fortbildungen.
Zu 3)
Es ist nicht ausreichend, in eine tauben Umgebung aufgewachsen zu sein. Dolmetschtechniken müssen gelernt und angewendet werden. Diese belegt man durch eine Prüfung.
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Landesarbeitsgemeinschaft der Dolmetscherinnen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland:
Zu 1)
Gebärdensprache zu benutzen bedeutet, sich einer Sprache zu bedienen, die man als Muttersprache oder als Fremdsprache erlernt hat.
Von Gebärdensprache in eine andere Sprache oder umgekehrt zu dolmetschen, bedeutet etwas ganz anderes, als sich rein in Gebärdensprache zu unterhalten, denn zwischen zwei Sprachen zu Dolmetschen ist ein hochkomplexer Prozess, bei dem die eine Sprache akustisch oder visuell wahrgenommen wird und in die Zielsprache umgesetzt werden muss, in der man sie dann präsentiert. Dabei müssen, besonders beim Simultandolmetschen, sehr viele Dinge gleichzeitig geschehen, z.B.
- muss die Grammatik der Ausgangssprache an die der Zielsprache angepasst werden,
- müssen die Inhalte der fortwährend vorgetragenen Ausgangssprache memoriert und anschließend umgewandelt werden,
- muss die Modalität der Sprache im Fall von Gebärdensprachdolmetschen zwischen akustisch-linear zu artikulatorisch-simultan umgesetzt werden und umgekehrt,
- müssen die Besonderheiten der Ausgangssprache den Gegebenheiten der Zielsprache angepasst werden
- und das alles gleichzeitig im fortlaufenden Dolmetschprozess.
Diese sehr komplexen Vorgänge müssen erlernt und vertieft werden. Das Dolmetschen erfordert z.B. unterschiedliche Dolmetsch-Strategien, auf die man im laufenden Prozess schnell zugreifen kann. Zum Dolmetschen gehört neben diesen Strategien auch das Wissen um die kulturellen Unterschiede zwischen den Sprechern der Ausgangs- und der Zielsprache und die Zusammenarbeit mit einem zweiten Dolmetscher im Rahmen des professionellen Dolmetscheinsatzes.
Deshalb unterscheidet sich das reine Benutzen von Gebärdensprache im Rahmen eines Gesprächs sehr vom Dolmetschen zwischen zwei Sprachen.
Zu 2)
Der Bundesverband für GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschlands e.V. (BGSD) und der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. (DGB) streben seit Jahren eine zunehmende Professionalisierung für den Dolmetscherberuf an. Der Dolmetscherberuf ist bislang ein nicht geschützter Beruf, und gerade deshalb ist auch für die LAG eine Professionalisierung durch Zertifikate wie die Staatliche Prüfung oder Bachelor- und Masterabschlüsse für Gebärdensprachdolmetscher wichtig.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Gebärdensprachdolmetschen erheblich weiter entwickelt, und viele Dolmetscher*innen, die bislang ohne Zertifizierung auf Grundlage ihrer gebärdensprachlichen Mutter- oder Fremdsprachenkenntnisse gearbeitet haben, konnten sich über Zertifizierungen wie die Staatliche Prüfung oder Anerkennung professionalisieren. Dies ist natürlich sehr wünschenswert, da es die Qualität des Dolmetschens hebt und auch im Dolmetscherberuf für Qualifizierung sorgt.
Bedauerlicherweise gibt es hier bei uns im Saarland nur sehr wenige Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache, und einige unserer Kolleginnen verfügen über anerkannte Abschlüsse oder die Staatliche Prüfung. Da die geprüften Dolmetscherinnen es zeitlich nicht schaffen, alle Termine zu besetzen, sind bislang auch Dolmetscherinnen zum Einsatz gekommen, die nicht über eine Staatliche Prüfung, einen Bachelor- oder Masterabschluss verfügen. Anderenfalls wären Verdolmetschungen an den angefragten Terminen durch die LAG nicht zustande gekommen. Dennoch versuchen wir, öffentliche Veranstaltungen mit Dolmetscherinnen zu besetzen, die über eine anerkannte Prüfung oder einen anerkannten Abschluss verfügen.
Sofern Sie in Ihrer Frage Bezug auf eine "eigene" Prüfung durch ein Komitee im Saarland
nehmen, so müssen wir hiervon Abstand nehmen. Bundesländerspezifische Prüfungen wurden in den vergangenen Jahren abgeschafft. Maßgebend sind die offiziell anerkannten Abschlüsse durch den BGSD, den DGB und akkreditierte Hochschulabschlüsse im Gebärdensprachdolmetschen, um eine einheitliche Basis unseres Berufes deutschlandweit zu etablieren.
Zu 3)
Wir als Landesarbeitsgemeinschaft der Dolmetscherinnen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland glauben nicht, dass eine Person, die mit der Muttersprache Deutsche Gebärdensprache aufgewachsen ist oder über gute Fremdsprachenkenntnisse in der Deutschen Gebärdensprache verfügt, alleine dadurch qualifiziert ist, zu dolmetschen. Wie unter Punkt 1 bereits erläutert, erfordert das Dolmetschen andere Prozesse als das reine Benutzen einer Sprache, und diese werden im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums erlernt und vertieft. Ein fachlich nicht vorgebildeter Laie kann nicht auf Dolmetsch-Strategien zurückgreifen und verfügt nicht per se über die nötigen Kenntnisse auch zur kollegialen Zusammenarbeit. Insofern weist ein offizieller Bachelor-/Masterabschluss im Dolmetschen oder eine Staatliche Prüfung diese nötigen Kenntnisse nach und ist – gerade im öffentlichen Bereich – sehr wünschenswert.
In Ihren Fragen nehmen Sie hauptsächlich Bezug auf eine Verdolmetschung in der Öffentlichkeit. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es in unserer Profession keinen Unterschied zwischen einer Verdolmetschung in der Öffentlichkeit oder bei Einsätzen in anderen Bereichen gibt. Eine Zertifizierung bedeutet auch nicht automatisch, dass Dolmetscher*innen in allen Bereichen zu 100% bewandert sind. Im Laufe des Arbeitslebens spezialisieren sich Dolmetscher*innen durch Hintergrundwissen, Fort- und Weiterbildungen, Erfahrungen und Kompetenzen auf persönliche Fachgebiete.
Dies ist ein Prozess, der sich über viele Jahre erstreckt.
Außerdem weisen wir im Zusammenhang auf Ihre Fragen darauf hin, dass die Landesarbeitsgemeinschaft der Dolmetscherinnen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland keine Richtlinien vorgibt, nach denen deren Mitglieder Aufträge annehmen oder ablehnen sollten. Dies entscheidet nach der entsprechenden Anfrage durch den Kunden jede Dolmetscherin für sich selbst auf Grundlage ihrer bisherigen Erfahrungen, ihrer Kenntnisse und der Gebiete, auf die sie sich spezialisiert hat.
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Landesverband der Gehörlosen unter dem Vorsitz von Frau Petra Krämer (LVs Motto ist: „Nicht ohne uns über uns“):
Zu 1)
Dolmetschen übersetzt Gebärdensprache in Lautsprache oder Lautsprache in Gebärdensprache
Zu 2)
Es ist sicherer wenn Gebärdensprachdolmetscher*in, die für Arztgesprächen, Amtsgerichten, Justiz bzw. Notar bestellt werden, im Besitz eines Diplom Zertifikates sind. Kommunikationshelfer*in können kleinen Dolmetscherdienst machen, sollten aber auch die Grundkenntnisse der Gebärden kennen.
Zu 3)
Um zu einem Diplom zu gelangen müsste die Prüfung selbstverständlich durchgeführt werden. Jemand der in einer gehörlosen Familie aufwächst und die komplette Gebärdensprache gut beherrscht sollte auch dolmetschen bzw. übersetzen können, jedoch seine Schweigepflicht einhalten und nicht der Familie darüber zu unterrichten.
Falls für die Öffentlichkeit, bspw. bei große Veranstaltungen, dann wäre es ratsam, dass Kommunikationshelfern zur Auffrischung hin und wieder einen Gebärdenkurs oder Seminare für Gebärdensprachdolmetschern besuchen. Soweit mir von früher bekannt ist, nehmen manche Gebärdensprachdolmetschern an jährliche Seminaren teil.
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Roland Metz, tauber Dozent für Deutsche Gebärdensprache:
Zu 1)
„Gebärden“ bedeutet, dass man vor allem mit den Händen redet. Das nennt man "Fliegende Hände"! Das ist für gehörlose Menschen ganz selbstverständlich, denn sie kommunizieren in ihrer muttersprachlichen Gebärdensprache.
"Dolmetschen“ bedeutet, dass man eine lautsprachliche, schriftliche oder visuelle Sprache in eine andere Sprache übersetzt.
Zu 2)
Ja, auf jeden Fall!
Es gibt eine Ausbildung oder Weiterbildung zum/zur geprüften oder staatlich geprüften Gebärdensprachdolmetscher/in. In der Ausbildung werden neben die erweiterten Kenntnisse in Deutscher Gebärdensprache auch folgende Inhalte und Schwerpunkte: Theorien und Techniken des Dolmetschens; Gebärdensprachlinguistik; Lexikologie; Voicen; Pragmatik und Textlinguistik; Geschichte und Kultur der Gehörlosengemeinschaft; Psycholinguistik gelehrt. Das ist eine Priorität für die Qualifikationssicherung des Dolmetschers! Nach dem erfolgreichen Prüfungsabschluss kann der Dolmetscher in verschiedenen und speziellen Berufsbereichen dolmetschen, z.B. Arbeit, Studium, Medien, Politik, Rechtswesen, Gesundheitswesen usw. Laut UN-Konvention haben die gehörlosen Bürger das Recht und den Anspruch auf hochqualifizierte Gebärdensprachdolmetscher.
Zu 3)
Nein, auf keinen Fall!
Das gilt auch für alle Fremdsprachdolmetscher! Ohne den Prüfungsabschluss ist der Dolmetscher logischerweise kein anerkannter und offizieller Dolmetscher. Ein Beispiel: die Ärzte, die kein Staatsexamen absolviert haben, dürfen trotz ihrer medizinischen Kenntnisse keinen Patienten behandeln und werden auch niemals in den öffentlichen Kliniken eingestellt. Oder, wenn man beispielsweise keinen Führerschein besitzt, darf er mit dem Auto nicht im öffentlichen Verkehr fahren, obwohl er auch ein „erfahrener“ Fahrer ist. Das ist genauso wie beim Dolmetscher, der ein entsprechendes Zertifikat zum geprüften oder staatlich geprüften Dolmetscher benötigt, um überall in der Öffentlichkeit übersetzen zu können. Wenn der ungeprüfte Dolmetscher trotzdem offiziell arbeitet, könnte er wie bei einigen bekannten Politiker wegen dem Plagiarismus kritisiert werden. Aus meiner Sicht bzw. Erfahrung sind einige ungeprüfte Gebärdensprachdolmetscher auch nicht kompetent und professionell genug, denn ihre Gebärdensprache ist nicht immer gut verständlich und ihre Übersetzungen gingen auch manchmal schief. Es ist auch ärgerlich, dass viele Behörden aus ihrer sparsamen Orientierung oft nach „billigen“ Gebärdensprachdolmetscher suchen. Wir Gehörlose fühlen uns dadurch wie für dumm verkauft. Das ist nicht in Ordnung! Deshalb sollte das in der Öffentlichkeit vermieden werden.
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2. Vorsitzender des Berufsfachverbandes der Gebärdensprach-dolmetscher*innen Bayern e.V., Markus Meincke (taub):
Zu 1)
Man könnte auch die Frage stellen: Was ist der Unterschied zwischen Sprechen und Dolmetschen? Während das "Gebärden" das "Sprechen" der Tauben meint, bedeutet "Dolmetschen" die Translation, also Sprach- und Kulturmittlung, zwischen zwei Sprachen. DolmetscherInnen für (z.B. Deutsche) Gebärdensprache dolmetschen beruflich zwischen (deutscher) Lautsprache und (Deutscher) Gebärdensprache (kurz DGS). Taube DolmetscherInnen dolmetschen zwischen einer Mutter-Gebärdensprache und einer Fremd-Gebärdensprache, z.B. DGS und ASL (American Sign Language) oder auch IS (International Signs). Man unterscheidet übrigens zwischen Dolmetschen und Übersetzen: Während beim Dolmetschen Mündliches bzw. Gebärdetes gedolmetscht wird, z.B. ein Gespräch, ist beim Übersetzen die Ziel- oder Ausgangssprache in Text- bzw. Videoform. So übersetzen beispielsweise taube DolmetscherInnen insbesondere Texte in Gebärdensprache im Medienbereich, wie z.B. für barrierefrei gestaltete Webseiten oder Museums-Guides für taube BesucherInnen.
Zu 2)
DolmetscherInnen für Gebärdensprache müssen grundsätzlich qualifiziert sein, um Leistungen von Kostenträgern erhalten zu können. Anerkannte Qualifikationen finden Sie auf unserer Webseite unter den FAQ - in der Regel BA-, MA-Abschluss oder staatlich geprüft.
Zu 3)
Auch wenn jemand in einer tauben Familie aufgewachsen und die Gebärdensprache Muttersprache ist - das Dolmetschen muss erst in einer Ausbildung erlernt und eine einschlägige Qualifikation erworben werden. In der Weiterbildung bzw. im Studium erwirbt man neben einer hohen Kompetenz in beiden Sprachen auch Kenntnisse und Fertigkeiten in Dolmetschtechniken und Gedächtnisleistung sowie der Kultur und Gemeinschaft der tauben Menschen. Nicht jeder Mensch ist für den Dolmetscherberuf geeignet - eine hohe Anpassungsfähigkeit, schnelle Auffassungsgabe und Entscheidungsfähigkeit, aber auch ein überdurchschnittliches Einfühlungsvermögen und Allgemeinwissen sind einige der notwendigen Voraussetzungen.
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Ich finde es sehr interessant, dass die erhaltenen Antworten so unterschiedlich sind. Sie stellen verschiedene Perspektiven dar und gehen dennoch auf ein und dasselbe Thema ein.
Gut, ich bleibe weiterhin am Ball und bin noch am Überlegen, ob ich eine kleine neutrale Umfrage in Bezug auf die Dolmetschqualität - „Wie gut sind unsere Dolmetscher*innen im Saarland?“ an unseren tauben Menschen durchführen werde. Diese anonyme Online-Umfrage sollte unabhängig von der Qualifizierung o.ä. sein und hätte ein klares Ziel für alle Interessierten. Ein wesentliches Ergebnis könnte beim Gespräch vorgelegt und eventuell hier veröffentlicht werden. Oder was denkt Ihr / denken Sie?
Fortsetzung folgt...!
Über Kommentare würde ich mich sehr freuen! Bleibt bitte sachlich! Danke!
Von Peter geschrieben!
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Liebe taube Leser*innen,
wenn ihr diesen Text in DGS sehen möchtet, um ihn besser verstehen zu können, schreibt einfach hier unten einen Kommentar! Dann können wir versuchen, den ganzen Text in möglichst exakte DGS zu übersetzen und hier zu zeigen. Man braucht aber ein bisschen Zeit und Geduld! Danke!
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Hier zum Ausdrucken:
#4
Datum: 15. Juli 2021
Name: Peter
Kommentar: Hallo, nun gebe ich mal meinen Senf zu dem dazu, was in letzter Zeit zu diesem Thema passiert ist. Gestern hat der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. eine „Empfehlung für die Bereitstellung von Inhalten in Gebärdensprache in deutschen Medien“ ausgegeben. Hier könnt ihr das Empfehlungspapier als PDF herunterladen und durchlesen, besonders den Punkt Qualitätsanforderungen, siehe bitte Nr. 4!
Im Dezember letzten Jahres habe ich einige Auftraggeber*innen, die für die Bestellung der Gebärdensprachdolmetscher für die Medien zuständig sind, per Mail auf meinen langen Blog aufmerksam gemacht. Ich hatte auf ein paar Rückmeldungen von ihnen gehofft, leider jedoch vergebens. Meine Mailaktion wurde bedauerlicherweise nicht ernst genommen. Vor ca. 3 Wochen wurde mir von jemandem aus dem Ministerium mitgeteilt, dass der Vorstand des Landesverbandes der Gehörlosen Saarland e.V. gesagt habe, dass die Übersetzungsqualität der Dolmetscher mit diesen Anforderungen übereinstimme.
Ein Schlag ins Gesicht! Ich frage mich, wie der Vorstand zu dieser Feststellung kommt. Also habe ich noch am selben Tag per WhatsApp beim Landesverband nachgefragt. Er schrieb mir zurück, dass die Beschwerden typischerweise bzw. komischerweise nur von mir und früher von Rayk, der auch ein tauber Kämpfer war und leider verstorben ist, kämen.
Aber wer soll sich schon beschweren, es kennt ja kaum jemand den Landesverband, den sieht man ja nicht…? Und der Landesverband selbst hat ja kaum Kontakt zu „echten“ Tauben, wenn ich mich nicht irre. Trotzdem wird der Landesverband es auf die Beschwerdeliste setzen und sich bei mir melden. Ich bin mal gespannt, was da als Antwort kommen wird.
Und parallel werde ich im August eine kleine private Umfrage unter Deafies, die die DGS nutzen bzw. mögen, machen. Ich bin schon gespannt, ob diese Deafies mit der Dolmetscherqualität in den saarländischen Medien ebenso wenig zufrieden bzw. nicht einverstanden sind, wie ich. Dann sehen wir weiter…Ich bleibe weiterhin am Ball!
#3
Datum: 05. Januar 2021
Name: Anne
Kommentar: Ich schließe mich der Meinung all derer an, die den ausschließlichen Einsatz von Gebärdendolmetschern mit Diplom für sehr wichtig halten. Nur bei diplomierten Dolmetschern ist gewährleistet, dass eine effektive und vor allem absolut zuverlässige Übersetzung zustande kommt. Ich persönlich habe in mehreren Fällen erleben müssen, dass bei Einsätzen mit jeweils der gleichen Dolmetscherin ohne Diplom, nachweisliche, gravierende Übersetzungsfehler aufgetreten sind. Es gibt Situationen, wo solche Fehler erhebliche negative Folgen haben können.
#2
Datum: 18. Dezember 2020
Name: Andrea
Kommentar: Peter, deine Mühe ist beachtenswert. Ich möchte mich gerne zu Wort melden bezüglich der Dolmetscher*innen. Für mich sind Dolmetscher*innen eine Brücke für die Kommunikation zwischen hörenden und tauben Menschen. Um bei diesem Bild zu bleiben: Was würde passieren, wenn du eine marode bzw. holprige Brücke überqueren müsstest, um an dein Ziel zu kommen? Ich denke, das traut sich niemanden zu. Es könnte auch sein, dass die Brücke gesperrt ist, oder dass die Brücke nicht geprüft und abgenommen worden ist. Was heißt das also für uns hörende und taube Menschen, wenn selbsternannte Dolmetscher*innen uns über eine solche Brücke führen? Eine schlechte, unsichere, nicht standesgemäße Kommunikation! Mein Fazit an das LAG Saarland: wie kann es sein, dass man, wenn man schon keine Prüfung, bzw. Ausbildung abgeschlossen hat, noch behauptet, dass man nach jahrelanger Ausübung selbst beurteilen könne,„gut“ zu sein oder sich „verbessert“ zu haben? Eine Brücke baut man, indem sie nach einer Sanierung bzw. Wiederherstellung geprüft wird. Ihr LAGler*innen macht dies aber nicht - stattdessen macht ihr einfach nur weiter wie bisher.
#1
Datum: 15. Dezember 2020
Name: X
Kommentar: Jemand aus Österreich hat das auf Twitter geschrieben:
GerichtsdolmetscherInnen werden oft nicht nach Qualifikation bestellt (NICHT nach Studium & Fähigkeit !) dass heißt im Klartext dass oft diese DolmetscherInnen nicht gelernt haben, wie man richtig übersetzt ! Und gerade bei verfahren hängt sehr viel von DolmetscherInnen ab!!
Zweiter Punkt : Befragung bei Kriminalpolizisten ( bei Menschen, die nicht Deutsch sprechen können oder Gehörlose Menschen ) die durch Dolmetscher ( sind oft Laiendolmetscher!!) befragt werden , müssten dann Vernehmungsprotokoll auf Deutsch unterschreiben , ohne Richtigkeit ..,
Zu verstehen - das später im Gerichtsverfahren widerlegen, weil Aussage falsch übersetzt / protokolliert werden, ist sehr schwer - fast unmöglich ! Also hängt es sehr von Qualifikation von Gerichtsdolmis und Polizeidolmis ab! Da Bezahlung nicht gleich ist ..
Wie beim Konferenzdolmetschen, und auch schlechte Arbeitsbedingungen (alleine stundenlang Verfahren dolmetschen müssen ohne alle 15 min abwechseln können), melden deswegen kaum ausgebildete Dolmis an. Davon hängt aber sehr einzelne Urteil davon ab !!!
Endlich mal Anspruch
auf den Einsatz der Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Eltern, aber ...
Ich fasse es nicht!
Vor ein paar Tagen habe ich erfahren, dass es beim Elternabend einen Anspruch auf den Einsatz der Gebärdensprachdolmetscher gibt, der inzwischen sogar im saarländischen Gesetz verankert ist. Aber 2 saarländische Ministerien streiten sich darum, wer den Prozess organisiert und die Kosten übernimmt, weil sie beide das NICHT bei sich haben wollen.
Was mich umgehauen hat ist, dass die beiden Ministerien sich nur den Ball hin und her werfen, die gehörlosen Eltern stehen dumm da und können am Elternabend nicht teilnehmen, da sie ohne Einsatz der Dolmetscher keine vollen Informationen beim Elternabend mitkriegen, im Gegensatz zu anderen normalen Eltern, egal wieviel diese verdienen und egal wie sie leben. Laut UN-Behindertenrechtskonvention dürfen wir nicht benachteiligt werden. Wie denn?
Schon seit vielen Jahren leben wir immer am Rand der Gesellschaft und haben kaum Recht auf Teilhabe, da unser noch so großer Wunsch auf Teilnahme bislang oft an den Kosten scheitert. Welches Recht haben wir noch, die wir doch brav sind und immer Steuern usw. zahlen?
Man muss mehr Druck auf das Ministerium ausüben, oder? Was machen die Gehörlosen-Vereine? Was macht der Landesverband der Gehörlosen? Ich vermisse die Unterstützung von gehörlosen Seiten.
Wie gesagt, kann man durch ehrenamtliche Vereins- oder Verbandsarbeit nicht alles stemmen. Ja klar, das ist vollkommen richtig, aber gehörlose Eltern sind wirklich arme Schweine, nur weil sie frei und unabhängig wie die Anderen leben möchten.
Aber es gibt leider sehr viele Leute, die mit genug Privilegien aufgewachsen sind und einfach wegschauen und die Realität leugnen wollen. Ein erschreckender Mangel an Empathie auf allen Seiten.
Über eure Kommentare zu diesem Thema würde ich mich sehr freuen!
Von Peter geschrieben!
#4
Datum: 04. September 2020
Name: Peter
Kommentar: Vor kurzem habe ich mitbekommen, dass eine Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache diese Woche beim Elternabend für gehörlose Eltern von der Schule bereitgestellt wurde. ENDLICH nach 2 Jahren müssen diese Eltern keine EXTRAkosten für den Einsatz der Dolmetscher tragen. Super, aber leider sind Gehörlose immer noch in den meisten öffentlichen saarländischen Einrichtungen benachteiligt.
Sigrid hat recht! Es werden uns immer noch Steine in den Weg gelegt, was die gesellschaftliche Teilnahme betrifft!
#3
Datum: 04. September 2020
Name: Sigrid
Kommentar: Zu diesem Artikel - und zu diesem Thema - muss ich jetzt nochmal einen Kommentar schreiben ...
Danke Peter für den Kontakt und den Austausch in den letzten Tagen ... hier zeigt sich wieder: über eine Situation diskutieren kann sehr informativ sein!
Ich habe folgende Anmerkungen zum Kommentar von Peter:
Federführend bei der Bezahlung von Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache bei Elterngesprächen in der Schule ist das Ministerium für Bildung. Von diesem Ministerium wird zur Zeit über "Kommunikationshilfen für Erziehungsberechtigte mit Hörbehinderungen oder Sprachbehinderungen" informiert.
Das Ministerium hatte im Januar 2020 verschiedene Schulen angeschrieben und nachgefragt, wo Kommunikationshilfen erforderlich sind. Ich kann nur hoffen, dass ALLE gehörlosen Eltern bzw. erziehungsberechtigte gehörlose Personen, die schulpflichtige Kinder haben, auch informiert wurden. Die Regelung gilt für das Schuljahr 2020/2021, ist also noch gar nicht rechtlich verankert. Die Eltern müssen einen "Antrag auf Erstattung für den Einsatz einer Kommunikationshilfe für Erziehungsberechtigte in Schule" ausfüllen und diesen in der Schule abgeben. Dann werden die Kosten für Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache oder Schriftdolmetscher*innen übernommen. Die Schulen bestellen in der Regel die Kommunikationshilfen, und empfohlen die Kontaktlisten der Dolmetscherzentrale oder an die LAG Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache oder die Kontaktadresse für Schriftdolmetscher*innen mit den jeweiligen Links. Gut und schön ... nur kennen die Schulen leider die Qualität der Dolmetscher*innen nicht. Aber zum Glück dürfen die Eltern selbst entscheiden, ob sie selbst die Kommunikationshilfen bestellen möchten. Das ist die Chance, einen/eine Dolmetscher*in zu bestellen, die man kommunikativ am besten versteht. Und das sollten die Eltern/Erziehungsberechtigten auch in Anspruch nehmen, um größtmögliche Kommunikationssicherheit zu haben.
Die Dolmetschereinsätze werden für Elternabende, Zeugnisgespräche, Entwicklungs- und Förderplangespräche sowie die schulischen Informationsveranstaltungen vor Einschulung und beim Wechsel in Sekundarstufe 1 bezahlt. Was ist mit Einzelgesprächen wenn z. B. das Kind individuelle Probleme hat? Was ist mit Schulaufführungen? Was ist mit Schulentlassfeiern? Und ... und ... und ...
Und wie werden Eltern informiert, deren Kinder jetzt zur Schule kommen bzw. deren Schule bei der Umfrage im Januar 2020 nicht berücksichtigt wurden?
Vor allem anderen ist jedoch ganz und gar unverständlich wieso es immer noch keine rechtliche Verankerung der Kostenübernahme gibt obwohl nach Landtagsbeschluss im Juni 2019 bereits seit über einem Jahr der gesetzliche Anspruch auf die Kostenübernahme besteht.
Wie Peter geschrieben hat: es gibt im Internet keine Informationen, wie sollen gehörlose Eltern sich informieren, welche Möglichkeiten der Kostenübernahme es gibt und an welche Stelle sie sich wenden können bzw. wo sie den Antrag für die Kostenübernahme stellen können?
Und: von den Ministerien gibt es Ermessungsentscheidungen, die zum Teil nicht nachvollziehbar sind. Wurden Betroffene nicht gefragt?
Wir bleiben dran an dieser Sache ... sie ist zu wichtig, um sich mit dem bisher erreichten zufrieden zu geben, das bisher erreichte ist nicht genug.
Hier möchte ich noch drauf hinweisen, dass Ermessungsentscheidungen unserer Landesregierung auch in anderen Belangen ein "Witz" sind: Die saarländische Landesregierung hat das Gesetz zum inklusiven Wahlrecht verabschiedet. In diesem Gesetzentwurf wurde nicht festgelegt, dass die Wahllokale barrierefrei sein müssen. Menschen mit Behinderungen dürfen also wählen, aber wie sie ins Wahllokal reinkommen ... tja ... nicht das Problem unserer Regierung.
Typisch Saarland - unser Land für ALLE!
Sorry ...
#2
Datum: 01. September 2020
Name: Peter
Kommentar: Für den Kommentar und auch für das tolle Engagement von Sigrid bedanke ich mich sehr und möchte kurz mitteilen, was ich vor kurzem erfahren habe: Ein Ministerium (ich weiß nicht welches) übernimmt fortan die Dolmetscherkosten für Elternabende, Zeugnisgespräche, Entwicklungs- und Förderplangespräche sowie die schulischen Informationsveranstaltungen usw. Die Rechnung wird danach über die jeweilige Schule an dieses Ministerium weitergeleitet.
Ich begrüße diese Lösung vom Ministerium wirklich sehr, da diese nun ENDLICH alles auf den Punkt bringt. Im Internet finde ich jedoch keine konkreten Informationen darüber und frage mich, ob es auch möglich ist, dass die Kosten ALLER schulischen Anlässe, z.B. von Schulfesten, Schultheatervorführungen übernommen werden, sodass alle Eltern der Schulkinder diese Anlässe besuchen können.
In jedem Fall sollen diesbezüglich keine Ermessensentscheidungen des Ministeriums getroffen werden. In diesem Fall würden sich die gehörlosen Eltern weiterhin von der vollen und gleichberechtigten Teilhabe ausgeschlossen fühlen. Laut der UN-Behindertenrechtskonvention darf NIEMAND ausgeschlossen.
Und noch etwas: Sigrid schrieb in Ihrem Kommentar über das unmögliche Verhalten der Richter beim Amtsgericht Saarbrücken. Ich als Zuschauer habe dies auch miterlebt und vor ca. 3 Jahren einen Blogartikel darüber geschrieben. Daher empfehle ich Euch noch die 2 nachfolgenden Artikel zu lesen:
#1
Datum: 31. August 2020
Name: Sigrid
Kommentar: Als Vorsitzende eines Gehörlosenvereins im Saarland werde ich auch immer wieder zum Problem "Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache bei Elternabenden in der Schule" angesprochen und um Unterstützung gebeten. Mit einigen Einrichtungen hatte ich dann Mailkontakt - und ich kann die Aussage von Peter bestätigen: Das Ministerium für Bildung und das Ministerium für Soziales schieben sich gegenseitig die Zuständigkeit zur Kostenübernahme zu - der Streit geht schon seit Sommer 2019 - und wird hier auf dem Rücken gehörloser Eltern ausgetragen, die einfach nur eins wollen: ihre Erziehungspflicht für ihre Kinder erfüllen und ihnen größtmögliche Chancen im Schulalltag und bei der Bildung sowie bei der gleichberechtigten Fürsorge erfüllen.
Ich hatte im Februar 2020 die Chance genutzt und mich zur Bürgersprechstunde mit Herrn Ministerpräsident Tobias Hans angemeldet. Mit Unterstützung einer Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache war ein sehr gutes Gespräch in der Staatskanzlei in Saarbrücken. Herr Hans zeigte sich sehr offen für die Probleme: ich hatte mir zwei Themen ausgesucht: das Problem Dolmetschen bei Elternabenden und das unmögliche Verhalten der Richter beim Amtsgericht Saarbrücken, das ich ebenfalls bei einer Gerichtsverhandlung miterlebt habe.
Zum Thema Gebärdensprachdolmetscher*innen bei Elternabenden zeigte sich Herr Hans überrascht, dass es noch kein Ergebnis der Kostenübernahme gibt, obwohl der Anspruch laut Gesetzesbeschluss vom 19. Juni 2019 bereits seit längerer Zeit besteht. Pikant ist hier: angeblich gibt es nur im Kreis Neunkirchen Probleme. Ich habe Herrn Hans gesagt: es gibt im ganzen Saarland Probleme! Im Kreis Neunkirchen hatten zwei gehörlose Elternpaare den Mut, mit dem Problem und der Unterstützung von Frau Moser-Meyer an die Öffentlichkeit zu gehen, deshalb ist dieses Problem auch bekannt geworden. Im restlichen Saarland sind die gehörlosen Eltern ebenfalls unzufrieden, genervt und fühlen sich allein gelassen. Diese trauen sich aber nicht, an die Öffentlichkeit zu gehen, schlicht wegen dem Kommunikationsproblem. Wer zahlt die Dolmetschkosten beim Protestieren??? Wer unterstützt? Auf diesem Weg auch nochmals ein Kompliment an Frau Moser-Meyer vom Landkreis Neunkirchen, die sich sehr engagiert einsetzt und sich auch sehr für die Welt der Gehörlosen interessiert.
Hier werde ich Herrn Hans nochmal an unser Gespräch erinnern.
In Sachen Amtsgericht Saarbrücken habe ich Unterlagen des Schriftverkehrs aus der damaligen Gerichtsverhandlung kopiert und hoffe, es tut sich was.
Und unsere Landesregierung: tja ... die hat sich auf die Fahnen geschrieben: Unser Land für ALLE ... für alle???
Der neueste Beschluss ist ja, dass Wahllokale nicht barrierefrei erreichbar sein müssen.
So ist es in unserem Land für ALLE ... da ist wirklich eine ganze Menge Luft nach oben!
Sind wir über die Situation mit der Bestellung der Dolmetscher*innen nicht genug informiert...?
Nun bin ich bereit, etwas zu erzählen, das im letzten Jahr beim Besuch eines Facharztes passiert ist. Im Wartezimmer saß ich neben meiner Dolmetscherin auf dem Stuhl und habe zufällig eine nette gehörlose ältere Frau getroffen, die ich noch nie gesehen hatte. Kurz nach der Kennenlern-Unterhaltung habe ich sie gefragt, wie sie mit dem Arzt kommuniziert und ob sie ein*e Dolmetscher*in benötigt. Sie gab ehrlich an, dass sie nicht weiß, ob es mit der Kommunikation mit dem Arzt klappt, und keine Ahnung hat, wie man Dolmetscher bestellen kann. Ihr erwachsener Sohn, der hörend ist, ist eigentlich immer für sie da, hatte aber in letzter Zeit keine Zeit, sie zu begleiten. Die Frau würde sich sehr freuen, wenn jemand beim Arztgespräch für sie dolmetschen könnte.
Gleichzeitig meldete sich eine Arztgehilfin „ratlos“ bei meiner Dolmetscherin, die ich vorab bestellt und mitgebracht habe, und fragte, ob sie bereit wäre, für diese Frau beim Gespräch zu dolmetschen. Glückerweise hatte die Dolmetscherin keinen nächsten Termin und stand ihr zur Verfügung.
Die Frau hat sich sehr gefreut. Es freute mich auch für sie und auch für den Arzt, dass es mit der Kommunikation geklappt hat. Außerdem gab ihr die Dolmetscherin eine Visitenkarte. Sie kann sie beim nächsten Mal bestellen, wenn sie mag. Die gesetzliche Krankenkasse ist laut Gesetz verpflichtet, die Kosten für die Verdolmetschung usw. zu übernehmen. Das heißt: Die Frau trägt keinen Cent der Kosten!
Eines Tages habe ich mitbekommen, dass der Sohn dieser gehörlosen Frau die Dolmetscherin am Abend anrief und ihr sagte, dass sie sich nicht bei seiner Mutter einmischen und ihre Finger von der Mutter lassen soll. Was meint er genau? Hat die Mutter kein Selbstbestimmungsrecht?
Beim Übersetzen im Arztgespräch bleibt die Dolmetscherin neutral und objektiv. Außerdem ist es ihre Aufgabe, dass die Kommunikation zwischen den hörenden und den gehörlosen Menschen gelingt. Sie unterliegt sowieso der strikten Schweigepflicht.
Unglaublich, was ihr Sohn sagte! Ich würde ihn in den Arsch treten. *kopfschüttel*
Wie hätte es mit der Kommunikation ausgesehen, wenn meine Dolmetscherin und ich nicht da gewesen wären? Es wäre voll diskriminierend gewesen für sie! Vielleicht ist sie daran gewöhnt, aber heutzutage muss sie das nicht mehr selbstverständlich hinnehmen.
Eigentlich bin ich gut informiert, wie man eine*n Dolmetscher*in bestellen kann, und frage mich, ob alle anderen genauso gut informiert sind wie ich. Ich glaube eher nicht und fände es super, wenn die gehörlosen Vereine (oder auch der Landesverband) sich mehr anstrengen, die wichtigen Informationen darüber REGELMÄSSIG persönlich gebärdet an die Mitglieder weiterzugeben, da manche Leute der Schriftsprache nicht mächtig sind, keine E-Mail-Adresse besitzen oder ähnliches.
Diese Frau ist langjähriges Mitglied bei einem Gehörlosenverein und hat ab und zu die Versammlung besucht. Es muss unbedingt diskutiert werden, warum nicht alle die Infos bekommen haben und wie man das besser machen kann. Ich wette, dass viele darüber nicht Bescheid wissen, weil sie meistens nur zum Unterhalten in der Versammlung da sind.
Über eure Kommentare zu diesem Thema würde ich mich sehr freuen!
Von Peter geschrieben!
#1
Datum: 31. 08.2020
Name: Sigrid
Kommentar: Einfach nur schade, wie das gelaufen ist!
Die Reaktion vom Sohn ist unverschämt, seine Mutter hat Anspruch auf selbstbestimmtes Leben und eigene Entscheidungen.
Aus Reaktionen in unserem Verein weiß ich: man kann nur immer und immer wieder informieren, dass es Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache gibt, welche Aufgaben diese Dolmetscher*innen haben, und dass sie unter Schweigepflicht stehen und neutral sein müssen. Leider ist es so, dass das Saarland eines der letzten Bundesländer mit qualifizierten Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache ist und sich die Inanspruchnahme nur schwer durchsetzt - vor allem bei älteren Gehörlosen, deren Generation nicht so selbstbewusst ist und die gewohnt sind, "dass die Kinder das machen" und sich da auch fügen.
Darüber hinaus sind die aktuellen Listen der Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache bezw. Kommunikationsassistentinnen/Kommunikationsassistenten unvollständig und fehlerhaft und die Dolmetscherzentrale für Gebärdensprachdolmetscher*innen sehr schwer ausfindig zu machen. Hürden, die eigentlich nicht sein müssten. Und Gebärdensprachdolmetscher*innen, die eigentlich keine sind und im besten Fall Kommunikationsassistenten machen die Akzeptanz auch schwierig. Es gib ausgebildete, staatlich geprüfte, qualifizierte Dolmetscher*innen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland, ja, - soweit mir bekannt ist, bisher nur 4, von denen eine diese Tätigkeit Anfang 2021 niederlegen wird. Aber die muss man erst mal finden, und die sind, weil es halt zuwenige sind, ständig ausgebucht.
Man kann immer nur wieder an die Betroffenen appellieren: traut Euch zu fragen, wenn Ihr Hilfe, Unterstützung oder eine Dolmetscherin/einen Dolmetscher braucht!!!
Maskenpflicht und taube Menschen
Die großen Überschriften „Maskenpflicht stellt eine unüberwindliche Hürde dar“, "Schutzmasken stellen Gehörlose vor große Probleme" oder "Wie Masken das Leben von Gehörlosen verändern“ schrieb die Saarbrücker Zeitung vom 24. April, 02. und 25. Mai 2020. Siehe 3 Artikel im Internet unter :
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In letzter Zeit schrieb die Presse überall in Deutschland wahnsinnig viel zu diesem Thema!
Ehrlich gesagt: Ich möchte NICHT von den Lippen absehen müssen!!! Nicht nur ich, sondern auch einige andere gehörlose Menschen, die ich gut kenne. Das bedeutet: Nicht ALLE tauben Menschen sind über die Maskenpflicht verzweifelt. Es gibt (immer) 2 Perspektiven:
1) Es gibt hörgeschädigte Leute, die das Mundbild vom Gesprächspartner brauchen, worauf sich die Presse fokussiert. Von mir aus geht das in Ordnung, da jeder gehörlose Mensch anders und individuell ist.
2) Was viele Menschen nicht wissen, ist, wie gut wir vom Mund ablesen können. Nun möchte ich versuchen, darüber ausführlich aufzuklären:
Wir werden oft gefragt, ob wir Lippen lesen können, womit gleichzeitig unbewusst gefordert wird, dass die Last der Kommunikation ausschließlich von uns getragen werden soll, ohne zu überlegen, wie man für beide Seiten angenehme Möglichkeiten des Gesprächs finden könnte. Die Leute, die im Grunde über unsere Sprache nicht den vollen Informationsstand haben, setzen ihren eigenen Komfort und ihre Bequemlichkeiten bei der Kommunikation an erste Stelle, ein Ausdruck ihrer Privilegien.
Außerdem wurde von der Wissenschaft festgestellt, dass in eurer Sprache (Deutsche Lautsprache) nur 30% der Wörter tatsächlich von den Lippen ablesbar sind. So sind wir gezwungen, mit höchstmöglicher Konzentration den fehlenden Zusammenhang zu ergänzen, obwohl wir unser ganzes Leben lang das Lippenlesen trainiert haben. Das ist sehr hart und sehr belastend. Hinzu kommt erschwerend, dass die Mundbewegungen bei allen Menschen sehr unterschiedlich sind: Mal nicht sauber, mal schnell, mal plattdeutsch usw., deswegen ist das genaue Ablesen nur vom Mund unmöglich. Es ist wirklich sehr selten, dass taube Leute das Lippenlesen auf so einem hohen Niveau beherrschen.
Für mich ist die Maskenpflicht also keine große Katastrophe, außerdem gibt sie uns mehr Sicherheit und Schutz. Im Alltag, z.B. beim Einkaufen usw., komme ich mit der Maske wirklich gut klar. Es gab bisher ein paar seltene interessante Alltagssituationen: Leute, die Masken trugen und merkten, dass ich taub bin, verstanden, dass ein Ablesen von den Lippen wegen dieser Maske nicht möglich war und versuchten sofort, umzudenken und sich mehr zu bemühen: Mehr Körpersprache, mehr miteinander Schreiben, usw., was die einwandfreie Kommunikation betrifft. Applaus für die Leuten, die sofort umdenken können, das ist aber nicht selbstverständlich!
Wenn jemand mich fragt, wie wäre es mit einer Schutzmaske mit einem Sichtfenster zum Lippenlesen? Ehrlich gesagt: Diese möchte ich nicht sehen bzw. haben, da sie zu doof aussieht. Sorry!
Nun möchte ich euch einen Anstoß geben: Zur Kommunikation gehören immer zwei Seiten. Also, kommt schon, ihr könnt es besser, mit uns zu kommunizieren! Kommt uns einfach mit den Händen und Füßen entgegen. Seid nicht so schüchtern und steht nicht erstarrt und sprechend in der Ecke. Das schafft ihr schon! ;-)
Über eure Kommentare zu diesem Thema würde ich mich sehr freuen!
Von Peter geschrieben!
#2
Name: Maja
Datum: 28. Juni 2020
Kommentar: Das Thema „Maskenpflicht und taube Menschen“ beschäftigt mich auch seit geraumer Zeit.
Ich finde wichtig, dass gehörlose Menschen ihre Erfahrungen mit der Maskenpflicht mit hörenden Menschen teilen. Hörende denken, dass
Lippenlesen eigentlich nach einiger Übung kein Problem darstellt. Das stimmt natürlich nicht, ist aber vielen Menschen nicht bewusst. Gut, dass Du, Peter, Dich um Aufklärung bemühst und dazu in
Deinem Blog-Eintrag viel geschrieben hast.
Überrascht haben mich eure positiven Erlebnisse. Ihr scheint öfter auf Menschen getroffen zu sein, die bereit waren, sich um
gelungene Kommunikation zu bemühen. Applaus!
Ich will aus meiner Perspektive noch etwas anmerken:
Ich selbst fühle mich durch die Maske in der Kommunikation mit gehörlosen Menschen schon eingeschränkt. Als Hörende, die etwas DGS
beherrscht und die Gebärdensprache gerne verwendet, gefällt mir der Gedanke gar nicht, zu Papier und Stift zu greifen. Lieber nehme ich mehr Abstand und kann so auf die Maske verzichten.
😊
( Ich habe mir außerdem ein „face shield“ gekauft, das sieht zwar doof aus, dafür kann man Mimik, Mundbild usw prima sehen.)
#1
Name: Anne Degen
Datum: 09. Juni 2020
Kommentar: Den Ausführungen von Peter stimme ich überwiegend zu. Fast 40 Jahre habe ich ein Hörgerät getragen,das ich nach einem Hörsturz im Juni 2017 abgelegt und seit dem
auch nicht mehr getragen habe.
Am Anfang war die neue Situation sehr ungewohnt und auch schwierig für mich. Auch wenn man sich noch so sehr bemüht und sich auf das Mundbild der Gesprächspartner konzentriert,ist es nur ein
kleiner Bruchteil des Gesprochenen,das man verstehen kann. Ausgenommen davon ist die Kommunikation mit hörenden Familienangehörigen, deren Mundbild man schon lange kennt. Aber auch in diesen
Fällen ist der Prozentsatz dessen,was man vom Mund ablesen kann, nicht sehr hoch.
Im Internet habe ich einen Mund/Nasenschutz mit dem Ausdruck "Spreche mit Händen" gesehen und mir diese Schutzmaske bestellt. Die Maske benutzte ich bei einem nächsten Einkauf im Baumarkt. Ich musste einen Verkäufer, der ebenfalls eine Gesichtsmaske trug, wegen eine Frage zu einem Produkt ansprechen. Dabei zeigte ich mit der Hand auf den Aufdruck meiner Schutzmaske. Der Verkäufer,der sehr freundlich war,hat die Situation gleich richtig eingeschätzt und holte Papier und Kugelschreiber. Die Kommunikation hat problemlos funktioniert. Fakt ist,dass man in solchen Fällen sein Gegenüber immer gleich freundlich darauf hinweisen sollte,dass man auf seine Mithilfe bzw. Unterstützung angewiesen ist,damit eine Kommunikation zur Zufriedenheit beider Parteien verläuft.
Fahrsicherheitstraining des ADAC – Volle Teilhabe am Training...?
Die Coronakrise hat in letzter Zeit alles auf den Kopf gestellt. Nun erlaubt mir die Zeit, hier endlich einen neuen Blogeintrag zu schreiben. Mir wurde erzählt, was ein gehörloses Paar im letzten Jahr erlebt hat.
Also, nachdem das Paar sich ein Wohnmobil geleistet hat, wollte die Frau an einem Sonntag an einem Fahrsicherheitstraining in der Nähe von Eifel teilnehmen, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Hut ab! Das ist wirklich ein wichtiger Schritt! Und die Frau hatte vor, einen Dolmetscher für Deutsche Gebärdensprache für dieses ca. 7h-Training zu suchen und unverbindlich anzufragen. Ein grobes Angebot war schnell da und belief sich auf 2040 Euro, in Buchstaben geschrieben: ZWEITAUSENDVIERZIG Euro! Wie bitte! Das hat uns sehr überrascht!! Um es besser überblicken zu können, will ich dies durch eine Berechnung zeigen:
Das ist also keine Abzocke und geht total in Ordnung, da die Dolmetscher*innen so ihr Brot verdienen, wie andere Selbstständige auch.
Das Problem ist, dass der ADAC nicht verpflichtet ist, diese Kosten zu übernehmen, da kein Gesetz oder ähnliches vorliegt. Es wäre echt wahnsinnig, wenn die Frau diese Kosten ganz allein tragen müsste, obwohl sie und ihr Mann jahrelanges Mitglied beim ADAC sind. Wer von euch wäre dazu bereit? Wer kann sich sowas leisten? Sicher niemand! Ich auch nicht! Kommt nicht in Frage!
Nach langem Überlegen hat die Frau beschlossen, sich doch für dieses Training anzumelden und teilzunehmen, aber ohne Einsatz der Dolmetscher*innen. Ihr Mann ist resthörig und in der Lage, mit den Leuten zu kommunizieren und wollte versuchen, für sie zu übersetzen.
Nach der Ankunft beim Fahrsicherheitstraining des ADAC wurde ihr die Teilnahme überraschenderweise verweigert, schon allein, weil die Kommunikation per Funk während des Trainings eine wichtige Rolle spielt. Es gab eine lange Diskussion zwischen den Verantwortlichen und dem Ehepaar. Glücklicherweise wurde ein Auge zugedrückt und die Frau durfte am Training teilnehmen.
Wie das ging? Ganz einfach: Sie musste mit ihrem Wohnmobil ganz hinten fahren, zuschauen, was die anderen Teilnehmer machen und dann nachfolgen. Aber was der Leiter des Trainings gesprochen hat, hat das Paar größtenteils nicht verstanden. Es hat aber geklappt, sagte das Paar, die Frau bekam vom ADAC dafür ein Zertifikat. Natürlich hat mich das sehr für sie gefreut. Applaus!
Trotzdem macht es mich traurig, dass die Gesellschaft uns behindert, trotz der UN-Behindertenrechtskonvention „Wir dürfen nicht behindert werden!“ und unser größter Teilnahmewunsch bislang oft an den Kosten scheitert.
Noch ungerechter ist, dass hörende und gehörlose Teilnehmer die gleiche Teilnahmegebühr zahlen. Die hörenden Teilnehmer erhielten volle Informationen vom Übungsleiter, im Gegensatz zu den Gehörlosen. Was haben wir davon, wenn wir die volle Gebühr zahlen?
Ein typischer Satz wie „Es hat ja geklappt“ oder ähnliches kommt in unserer Gehörlosengemeinschaft oft an und zeigt, dass es nur oberflächlich um die Kommunikation geht.
Meiner Meinung nach ist die Kommunikation zwischen den gehörlosen und hörenden Menschen ohne Einsatz des Dolmetschers niemals in vollem Umfang gewährleistet, auch wenn man sich sehr bemüht (zu kommunizieren).
Meine Frau Andrea erzählte mir, dass ihr Frauenarzt sich immer freut, wenn sie ihre Dolmetscherin zur Untersuchung mitbringt. Der Arzt gab zu, dass er sich gezwungen sah, Andrea während der Behandlung nur so kurze Informationen wie nötig zu geben, weil er nicht wusste und sich auch nicht sicher war, ob sie alles mitbekommt. Schriftlich verständigen mit ihr würde für ihn zeitlich sehr anstrengend sein. Seit die Dolmetscherin da ist, kann er alles ganz locker sagen, was er sagen muss/will.
Ich stimme ihr voll zu und habe auch selbst schon oft erlebt und gesehen, wie groß der Unterschied mit und ohne Dolmetscher ist. Ziemlich groß!
Einerseits gibt es leider ein paar Aussagen von Gehörlosen hier im Saarland, dass es auch ohne Einsatz von Dolmetschern klappt. Nee, um Gottes willen! Voll gesprochene Inhalte werden vom Gegenüber nur zu einem Bruchteil aufgenommen. Ich weiß genau, wovon ich rede.
Andererseits sehe ich schon schwarz, da jede hörende Person so denken könnte: „Wozu braucht eine gehörlose Person ein Dolmetscher, wenn ich weiß, dass es mit der Kommunikation auch ohne Dolmetscher klappt?“, „Wozu? Ja oder Nein ist alles, der Rest ist Nebensache!“ oder „Nicht nötig, da der Dolmetscher zu teuer ist“ usw. Das kann immer häufiger zu Verweigerung und Ablehnung der Kostenübernahme führen.
Seit kurzem gibt es das „Teilhabegeld“ als finanzielle Unterstützung für Menschen, die gehörlos sind. Der Betrag kann für den Mehraufwand (Dolmetscher, Hilfsmittelkosten oder weiteren Aufwand), den Gehörlose im Vergleich zu Hörenden haben, eingesetzt werden. Das Geld soll einkommens- und vermögensabhängig sein und muss beantragt werden. Dafür gibt es Beratungsstellen, zu finden im Internet unter www.teilhabeberatung.de.
Irgendwann werde ich diese Webseite besuchen, mich darüber informieren lassen und hier einen Blogeintrag dazu schreiben.
Über eure Kommentare zu diesem Thema würde ich mich freuen!
Von Peter geschrieben!
Wieder ein unglaublicher Vorfall beim saarländischen Amtsgericht
Vor kurzem erzählte mir eine taube Person von folgendem Vorfall. Wegen einer Bußgeldsache musste sie sich vor dem Amtsgericht verantworten. Da sie gehörlos ist, hat das Gericht sie vorab schriftlich informiert, dass eine Gebärdensprachdolmetscherin Frau P. M.-W. zum Gerichtstermin bestellt wurde. Sie hat zurückgeschrieben, dass sie diese Frau als Dolmetscherin ablehnt, weil sie nicht darin ausgebildet und staatlich geprüft ist und nicht in der Lage ist, alle gesprochenen und gebärdeten Inhalte während des Gerichtsverfahrens zu übersetzen. (Über eine ähnliche Situation habe ich schon berichtet, siehe Bericht vom 23. Juni 2017!)
Daraufhin bat sie, aufgrund ihres Wahlrechtes gemäß dem saarländischen Behindertengleichstellungsgesetz, zur Maximierung der Übersetzungssicherheit und um die vollständige Übertragung während der Verdolmetschung zu gewährleisten, um eine*n richtige*n Dolmetscher*in. Auf dieses Schreiben hin kam keine Antwort!
(Kurze interessante Anmerkung: Dieses Schreiben wurde trotzdem als Kopie vom Amtsgericht an ihren Rechtsanwalt zur Kenntnisnahme gesendet!)
Als die taube Person termingerecht im Raum des Amtsgerichts erschien, war dennoch die Dolmetscherin Frau P. M.-W. anwesend. Als der Richter (sein Name ist mir bekannt) anfing zu reden, wurde es nicht simultan gedolmetscht. Die taube Person fühlte sich kommunikativ stark eingeschränkt, beschwerte sich darüber und forderte, dass die Verhandlung aufgrund der nicht einwandfreien Kommunikation innerhalb des gesamten Gerichtssaales abgebrochen werden solle. Der Richter stellte sich quer und drohte ihr sogar mit einer Ordnungsstrafe von 200 Euro. Wie bitte...? Darf er das überhaupt? Das ist katastrophal und diskriminierend!
Daraufhin bat der Rechtsanwalt den Richter intuitiv und spontan, mit seinem Klienten kurz draußen zu sprechen zu dürfen. Gesagt, getan. Als beide zurück in den Raum kamen, wurde die Verhandlung kurz darauf eingestellt. Warum sie so plötzlich eingestellt wurde, weiß die taube Person nicht genau, weil es nicht ganz gedolmetscht wurde. Unglaublich, was der Richter da getan hat! *kopfschüttel*
Nun möchte ich hier mal genauer schildern, warum das Amtsgericht immer diese (nicht hochqualifizierte) Dolmetscherin bestellt hat. Diese Frau ist ein Coda (Children of Deaf Adults), das heißt, sie ist mit gehörlosen Eltern aufgewachsen. Außerdem arbeitet sie bei einer staatlichen Einrichtung in Saarbrücken, deswegen kann sie auch für Gerichtsverfahren zum Dolmetschen dienstlich zur Verfügung stehen.
Entgegen der nach wie vor vorherrschenden Meinung, ist es ein großer Irrtum, zu glauben: "Wer gebärden kann, kann automatisch dolmetschen"!
Vor 2 Jahren habe ich das Amtsgericht schriftlich gebeten, zu überprüfen, ob diese Dolmetscherin über einen entsprechenden Nachweis verfügt. Leider stellte sich das Gericht quer. Das Gericht nannte den total plausiblen Grund, dass sie vereidigt ist. Was hat diese Vereidigung mit einer entsprechenden Qualifizierung zu tun?
Die Bestellung eines externen Dolmetschers für Deutsche Gebärdensprache und Lautsprache kostet eine Menge Geld. Aber laut saarländischem Behindertengleichstellungsgesetz muss der Staat ihn bezahlen, weil Gerichtsverfahren auch für taube Menschen voll und ganz verständlich sein müssen.
Ich habe der betroffenen Person empfohlen, sich an die Antidiskriminierungsstelle zu wenden, und ihr angeboten, sie zu dieser Stelle zu begleiten. Ob es etwas bringen wird, weiß ich nicht und hoffe trotzdem, dass sie meine Hilfe annimmt!
Von Peter geschrieben!
#3
Name: Mo
Datum: 29. November 2019
Kommentar: Unglaublich, dagegen muss man sich beschweren und wehren. Auch ich hatte ein ähnliches Vorfall erlebt beim Gericht. Ich wurde eingeladen wegen einem Strafprozess. Ich teilte dem Gericht mit, dass ich (sehr rechtzeitig) einen Gebärdensprachsdolmetscher brauche, wurde vom Gericht bestätigt und sie bestellte jemanden. Beim Gericht angekommen, stellte ich fest, dass kein Dolmetscher da war. Der Richter meinte nur, sie hätten versucht jemanden zu erreichen, die Person war nicht erreichbar und eine andere Person konnte nicht. Es gibt aber 5 vereidigte Dolmetscher und später erfuhr ich von einigen, dass sie nicht mal eine Anfrage bekamen. So hatte ich Probleme, den ganzen Prozess zu verfolgen, auch wenn ich beim Staatsanwalt sitzen durfte um besser mitzuverfolgen. Zum Gück betraf der Prozess mich nicht, sonst hätte ich verlangt, dass der Prozess verschoben wird, bis ein Dolmetscher kommt. Damals war ich nicht so selbstbewusst genug und mich gleich zu beschweren.
#2
Name: R
Datum: 10. Oktober 2019
Kommentar: Wie das Symbolbild oben, konnte ich über diesen Vorfall nur den Kopf schütteln. Das ist ziemlich ärgerlich. An ihrer Stelle (der tauben Person) hätte ich schon gerne den genauen Grund erfahren, warum die Verhandlung plötzlich eingestellt wurde.
Das Behindertengleichstellungsgesetz dient dazu, dass die Benachteiligten die Rechte nutzen können. Hier im Fall wurden der tauben Person diese Rechte verwehrt.
Mich würde interessieren, wie es in den anderen Bundesländern aussieht. Stellen die Amtsgerichte in den anderen Fällen die staatlich geprüften Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung?
#1
Name: Maja
Datum: 07. Oktober 2019
Kommentar: Sicher kann es vorkommen, dass das Gericht Personen als Dolmetscher zulässt, die ungeeignet sind, weil sie keine Ausbildung haben. Das ist sehr schlimm, weil Betroffene dem Geschehen bei der Gerichtsverhandlung nicht richtig folgen können.
Dass sich aber ein solcher Fehler nach 2 Jahren immer noch wiederholt, ist wirklich unglaublich!!! Der Richter hat offenbar nicht verstanden, worin das Problem liegt!
Dabei hast Du es genau erklärt: Wer gebärden kann, kann nicht automatisch auch dolmetschen!
Wievielmal musste ich das Wort „Fahrerflucht“ und „Strafe“ hören...?
Vor ein paar Wochen ist mir etwas passiert. Beim Ausparken musste ich besonders vorsichtig zurückfahren, da ein anderes Fahrzeug sehr nah hinter mir stand. Eigentlich durfte es dort nicht parken. Trotzdem ist es mir gelungen, meinen mittelgroßen SUV rauszufahren. Dank des Scheinwerferlichts habe ich zufällig entdeckt, dass ein Kratzer am Kotflügel des nebenstehenden Fahrzeuges zu sehen war. Ich bin nicht sicher, ob ich Schuld war, aber ich bin sofort ausgestiegen und habe bei meinem SUV geschaut, ob auch ein Schaden am Kotflügel vorliegt. Ich habe nichts gefunden, außerdem war es draußen dunkel. Sicherheitshalber habe ich das KFZ-Kennzeichen des nebenstehenden Fahrzeuges notiert.
Während der Heimfahrt habe ich mir gedacht, dass ich meinen SUV bei mir zu Hause nochmal genauer anschauen werde, um sicher zu sein. Ein leichter Kratzer (siehe Foto unten rechts!) wurde doch gefunden. Dann wollte ich auf jeden Fall die Polizei sofort anzurufen. Keine Sekunde gezögert! Dank des Dolmetschservice Tess (https://www.tess-relay-dienste.de) habe ich der Polizei genau geschildert, was passiert war. Trotzdem wurde mir mit einer Strafe gedroht, da ich angeblich eine Fahrerflucht beging. Wievielmal musste ich dieses Wort während des Telefonats hören?
Auch wenn ich diesen leichten Unfall bemerken hätte, wäre ich trotzdem heimgefahren und hätte von Hause aus die Polizei angerufen. Ich weiß nicht, ob es die richtige Entscheidung wäre.
Einziger Grund dafür ist, dass die Kommunikation mit der Polizei per Dolmetschservice in eine gute Internetverbindung benötigt. Für Videotelefonie braucht man eine schnelle und stabile Verbindung. Ob das auch am Unfallort möglich wäre, da bin ich mir nicht sicher. Außerdem weiß ich nicht, ob der Funkempfang am Unfallort gut genug ist und auch ob mein Datenvolumen ausreicht. Dieser Service am Handy benötigt viel Datenvolumen für eine direkte und einwandfreie Kommunikation.
Eine 3. Person (die zum Beispiel in der Nähe wäre und bereit wäre, einen Polizeianruf zu machen.) kann man auch nehmen, aber wer haftet, wenn die Aussage dieser 3. Person falsch ist, weil ich diese Aussage nicht hören bzw. kontrollieren kann.
Die Gebärdensprachdolmetscher von Dolmetschservices arbeiten sehr professional und versuchen immer den vollen Inhalten an den Gesprächspartner zu übertragen und auch umgekehrt.
Zurück zu dieser Geschichte: Laut Polizei müsste ich sofort zur Polizeidienststelle in die 15min entfernte Stadt. Vorher wurde ich gefragt, wie es mit der Kommunikation aussieht und ob ich einen Dolmetscher mitbringen könnte. Ich erklärte, dass die Polizei nun über den Unfall Bescheid weiß und wir den Rest per Zettel und Stift klären können, da es unmöglich ist kurzfristig einen Dolmetscher zu finden. Gesagt und getan! Sie haben meine Personalien aufgenommen, dann habe ich mit 3 Polizisten, die extra mit dem eigenen Polizeibus, zum Unfallort gefahren sind, mich über den Unfall unterhalten. Fragt mich bitte nicht, warum 3 Polizisten!
Glückerweise stand das von mir am Kotflügel leicht beschädigten Fremdfahrzeug immer noch da. Dieser Unfall wurde kurz aufgenommen und einer von dreien hat sich bemüht, mich per Notizenbuch und Stift zu kommunizieren. Dann wurde ein „Unfall mit Fahrerflucht“ auf „nur ein Unfall“ abgewertet. Und ich musste die Schadensmeldung bei meiner Versicherung machen. Ehrlich gesagt: Alle 3 Polizisten waren wirklich nett zu mir, im Gegensatz zum Telefonieren mit der Polizei. Während dieses Telefonierens vermisse ich eine grundsätzliche Sensibilisierung und einen Umgang mit den Gehörlosen.
Bei einer Fahrerflucht müssen Alkohol oder Drogen im Spiel sein oder die Person hat keinen Führerschein oder? An diesem Tag trank ich nur Tee und ich besitze einen gültigen Führerschein.
Ich habe überlegt, was ich in Zukunft in ähnlichen Situationen machen soll. Ab jetzt werde ich gleich und direkt zur Polizeidienststelle gehen und der Polizei kurz und knapp sagen, dass ich einen Unfall gebaut habe und nach einen hochqualifizierten Gebärdensprachdolmetscher verlangen. Ich nehme keinen selbsternannten Dolmetscher (ohne Ausbildung) oder jemanden der gebärden kann für die Kommunikation an. (Warum das nicht? Seht ihr bitte ein paar Blogs untenstehend!).
Der hochqualifizierte Gebärdensprachdolmetscher ist keine 3. Person, bleibt objektiv und ermöglicht uns eine direkte und einwandfreie Kommunikation. Das ist unser Recht.
Noch was: Viele wissen nicht, dass der hör- oder sprachbehinderte Mensch nicht darauf verwiesen werden darf, sich schriftlich zu äußern. Seht ihr bitte den Link im Internet: https://www.haufe.de/sozialwesen/sgb-office-professional/gebaerdensprachdolmetscher-kostenuebernahme_idesk_PI434_HI1938675.html
Ich bin mal gespannt, was da kommen wird, weil die Bestellung dieses Dolmetschers sehr aufwändig ist. Es kostet ja eine Menge Geld und wer trägt diese Kosten.
Es wäre toll, wenn ein oder zwei Polizisten in jeder Stadt regelmäßig gebärden lernen könnten. Das wäre ja eine volle Inklusion!
Geschrieben von Peter
#1
Name: Freddi
Datum: 03. Juni 2019
Kommentar: Das klingt nach einer schwierigen Geschichte, die eigentlich keine sein sollte.
Tatsächlich ist es auch dann Fahrerflucht, wenn kein Einfluss von Drogen, Alkohol usw. vorliegt. Wenn du dich unerlaubter Weise von dem Unfallort entfernst, den du verursacht hast, dann ist das Unfallflucht (oder Fahrerflucht).
Allerdings (!) dient das Gesetz eigentlich nur dazu, jemanden zu bestrafen, wenn er versucht zu verhindern, dass er als Schuldiger identifiziert wird. Du hast aber das Nummernschild notiert und dich freiwillig bei der Polizei gemeldet (und hattest sogar einen wichtigen Grund dafür - Die Kommunikationsbarriere vor Ort).
Ich sehe also nicht, wie du die Situation besser lösen solltest...
Du hast recht, wenn nur ein paar Polizisten gebärden könnten, wäre es viel leichter. Dann könntest du einfach direkt die Polizei zum Unfallort rufen, und die schicken einen Kollegen der gebärden kann. Fertig.
Achja und Zusatzkosten, die dir dadurch entstehen sind einfach nur eine Frechheit.
Liebe Grüße
Freddi
Was ist denn passiert, wenn die Gebärdensprachdolmetscher ...
Ich muss hier offen schreiben, was ich beim Neujahrsempfang eines Landesverbandes mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Da einige wichtige eingeladene Gäste eine Begrüßungsrede (natürlich in Lautsprache, da sie hörend sind und nicht gebärden können) halten wollten, standen zwei von diesem Verband bestellte Gebärdensprachdolmetscherinnen zur Verfügung.
Wie qualifiziert beide sind, ist mir bekannt. Während jemand redete und die Rede gedolmetscht wurde, saß ich neben zwei Gehörlosen und fragte sie, ob sie die gebärdeten Inhalte verstanden hätten. Sie gaben zu, die Dolmetscherinnen schwer bis nicht ganz zu verstehen.
Ich habe auch die gleiche Meinung wie die beiden und kann überhaupt nicht verstehen, warum der Verband diese Dolmetscher bestellt hat, obwohl es 2-3 staatlich geprüfte DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland gibt. Und ich frage mich auch, warum diese bestellten Dolmetscher diesen Dolmetschauftrag angenommen haben, obwohl sie nicht in der Lage sind, professionell übersetzen zu können. Trotzdem gab es keine Beschwerden von Gehörlosen. Ich fand es sehr schade. Wirklich traurig! Das ist halt so!
Da dachte ich: Nein, es ist nicht einfach so! Ich muss mir noch überlegen, wie man dagegen vorgehen kann. Vielleicht habe ich eine Idee: ich werde mich ab jetzt bei den nicht qualifizierten oder selbsternannten Gebärdensprachdolmetschern während der Verdolmetschung melden und sagen, dass ich die gebärdeten Inhalte nicht ganz bzw. schwer verstehe und um eine Wiederholung dieser Inhalte bitten.
Um die Unterstützung der gebärdensprachorientierten Gehörlosen würde ich mich sehr freuen. Die DolmetscherInnen wissen genau, was wir möchten. Lasst uns bitte nicht unterwürfig sein!
Geschrieben von Peter
#1
Name: Sigrid Meiser-Helfrich
Datum: 03. März 2019
Kommentar: Eigentlich kann man hier nicht viel dazu schreiben .... da kann ich nur den Kopf schütteln und denken: "mal wieder typisch" ... leider! Es erinnert mich an die Situationen, wenn man in einer Podiumsdiskussion ist oder zum Thema Menschen mit Behinderung zum Meinungsaustausch eingeladen ist - z. B. beim Saarländischen Rundfunk. Es ist schon mehrfach vorgekommen, dass ich eine Frage gestellt habe, die von sogenannten DolmetscherInnen in Lautsprache übersetzt wurde. Die Antwort auf meine Frage war dann falsch - vollkommen an meiner Frage vorbei. Was man nur so verstehen kann, dass meine in Deutscher Gebärdensprache gestellte Frage von den DolmetscherInnen falsch aufgenommen und also falsch übersetzt wurde. Ich habe dann drauf aufmerksam gemacht, mit einigem Hin und Her kam dann die richtige Antwort. Klar, es kann immer mal Missverständnisse geben, aber wenn es öfters vorkommt, dann fragt man sich doch, welche Qualifikation diese DolmetscherInnen eigentlich haben. Wer ist hier eigentlich der König - sie ... oder wir die Kunden, also die Menschen mit Hörbehinderung und diejenigen, die die DolmetscherInnen angefordert haben? Wenn etwas nicht klappt, dann sollten wir das auch sagen. Nur so können wir unsere Situation verbessern. Und nur so können auch die KommunikationsassistentInnen und DolmetscherInnen dazulernen und ihre Qualifikation verbessern. Wir haben einen Rechtsanspruch darauf. Und: Hörende haben nicht immer recht, wir dürfen uns wehren, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Andererseits: es gibt auch gute qualifizierte DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache, die ihren Beruf ernst nehmen, die sollten wir loben und bevorzugt buchen, um an der Situation etwas zu verbessren.
Umgang mit gehörlosen Menschen bei einem Treffen oder einer Party/Feier
Zunächst möchte ich eine Erzählung einer gehörlosen Bekannten namens Yvi, die in der Rolle der Mutter vor kurzem einen Kommentar in Facebook geschrieben hat, hier einfügen. Natürlich mit ihrem Einverständnis für die Veröffentlichung. Lest bitte den Text ganz unten! Yvi hat vollkommen recht, mit dem was sie geschrieben hat. Das ist leider so. Ich würde sagen, dass das Ganze nur aus Gewohnheit der hörenden Gesellschaft geschieht.
Nun möchte ich über meine eigenen Erfahrungen schreiben. Also, wir sind oft zu Feiern bei unserer hörenden Verwandtschaft eingeladen, obwohl ich ehrlich gesagt, diese Einladungen am liebsten niemals annehmen würde, weil es mir oft zu langweilig ist. Fast keiner ist bereit mit mir zu kommunizieren, nur weil ich selbst Schwierigkeiten mit dem Sprechen und auch mit dem Mundablesen habe. Andrea (meine Frau) hat etwas weniger Probleme damit, da sie nach dem Spracherwerb ertaubt ist. Ab und zu ist unser volljähriger Sohn bereit, die Unterhaltung für uns zu übersetzen. Aber auf Dauer macht er das nicht mit, da er kein Dolmetscher ist. Meiner Familie zuliebe komme ich zu diesen Feiern oft mit und bin nur für das „Essen" da. Das ist halt so!
Im letzten Jahr wollte ein junger, hörender Mann, der meinen Gebärdensprachkurs besucht hat, uns auf einmal zu seiner Geburtstagsparty bei sich zu Hause einladen. Andrea war an diesem Tag leider verhindert. Trotzdem hat er darauf bestanden, dass ich komme und hat versprochen, mich nicht im Stich zu lassen. Seine Cousine, die auch die Gebärdensprache bei mir gelernt hat, war auch dabei. Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass es mir dort zum ersten Mal in meinem Leben NICHT langweilig war. Er und seine Cousine haben sich bemüht, mich abwechselnd zu unterhalten und auch die Kommunikation mit den hörenden Gästen zu unterstützen. Wow, das war einmalig! Es hat nur funktioniert, weil beide gebärden können. Nochmals vielen Dank, junger Mann!
Inzwischen hat uns noch eine Frau, die sich jahrelang mit unserer Sprache beschäftigt hat, zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen und hat uns dasselbe wie der junge Mann versprochen. Ja, sie hat ihr Versprechen gehalten: Sie hat sich viel Zeit für uns genommen und sich mit uns unterhalten, außerdem hat sie noch jemanden, der gebärden kann, eingeladen. Wir haben uns gefühlt, als wären wir nicht nur gekommen, um zu Essen. Wir haben uns wirklich sehr darüber gefreut. Danke, danke! ;-)
Also, ich habe eine große Bitte an euch, wenn ihr mal Gehörlose einladen möchtet, vergesst sie bitte nicht! Es gibt nur 2 Möglichkeiten für eine bessere, beziehungsweise einwandfreie Kommunikation:
1) Gebärdensprachdolmetscher bestellen und die Kosten auf alle Anwesenden aufzuteilen. Es lohnt sich nur, wenn viele Personen eingeladen sind und mit der Kostenbeteiligung einverstanden sind, da die Kosten oft sehr hoch sind.
2) Einen Gebärdensprachkurs besuchen und sich immer mit unserer Sprache beschäftigen. Um diese Sprache zu beherrschen, braucht man einen langen Atem und unzählige Kursstunden…
Wenn eines von beiden nicht erfüllt ist, wäre es schön, wenn die eingeladene Person jemanden mitbringen dürfte, damit sie nicht allein und ihr nicht gelangweilt seid.
Noch eine kleine Bitte an gehörlose Eltern mit hörenden Kindern: Bitte lasst eure minderjährigen Kinder nicht „arbeiten"! Die „Dolmetscharbeit" ist wirklich sehr anstrengend, auch wenn die Kinder das gern und freiwillig machen. Glaubt mir bitte! Danke!
Geschrieben von Peter
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Yvi schrieb im Facebook:
Ich würde vor kurzem von einem hörende Mutter gefragt ob ich mal vorbeikommen kann zum Kaffee trinken. Habe ich getan. Was ich nicht wusste, es waren noch andere 6 Muttis da. Alle mit Babys. Gut... eine Tasse Tee trinken schaffe ich locker. 5 Minuten mit mir zu unterhalten klappt gut. Danach „vergessen“ sie es und unterhält sich mit andere Müttern. Ich versuche mich mit den Lippenlesen zu konzentrieren. Nach 10 Minuten habe ich den Überblick verloren. Ich sitze nur dumm da und warte brav ab um nicht unhöflich zu sein. Nach fast 1 std stehe ich auf und sage dass ich jetzt gehen möchte. Alle:“oh jetzt schon? bleib noch ein bisschen“. Wozu? Ich verstehe eh nix. Ist nicht böse gemeint.
Mir ist viel lieber wenn ich allein mit eine Person um mich habe. Da kann man viel besser kommunizieren und lange und man kann sich nicht von mir abwenden. In der Gruppe klappt das nicht. Da wird gerne schnell „vergessen“ und ich dann nichts mehr mit bekomme. Immer nachfragen über was geredet wird, mag ich nicht.
Warum bist du so? Bist du gerne einsam? Warum redest du nicht mit uns? Warum sitzt du nicht bei uns? Das sind IMMER dieselbe Fragen. Jedesmal muss ich erklären, warum ich mich so verhalte.
Ehrlich, ich würde gerne, egal wo, beim kaffeeklatsch, auf dem Spielplatz, beim Eiscafé, im Kindercafe etc. Hinsetzen, zuhören und mitreden. Das klappt aufgrund meine Gehörlosigkeit nicht. Nur sitzen und von 100% was gesagt wurde kriege ich nur 10% mit und stumm sitzen ist mir zu blöd.
Ein paar Mal habe ich erklärt. Trotzdem verstehen sie nicht ganz was ich meine... puhhh...
#1
Name: Sigrid Meiser-Helfrich
Datum: 19. November 2018
Kommentar: Ich bin spät ertaubt (nach dem Spracherwerb) und rede eigentlich "normal" - oft auch saarländischen Dialekt. Ich bin ganz einfach damit aufgewachsen. Nur: es geht nur in eine Richtung ... die Antworten auf meine Worte oder Sätze verstehe ich nur im persönlichen Gespräch gut sobald mehr als zwei Personen am Gespräch beteiligt sind, bin ich "weg vom Fenster", sogar innerhalb meiner eigenen Familie, obwohl ich meine Mutter und meine Schwestern als Einzelpersonen prima verstehe, im Gesprächskreis klappt es nicht. Deshalb: auch für mich sind Familienfeiern anstrengend, langweilig, unerfreulich. Früher im Elternhaus konnte ich aufstehen: lesen, stricken, das Kaffeegeschirr spülen - und die anderen haben gefeiert. Aber bei Einladungen: brav sitzen, lächeln, und hoffen dass es nicht zu lange dauert. "Wie gehts?" "Gut!" - das höchste der Gefühle bei Unterhaltungen in der Verwandtschaft. Ich frage: was hat die oder der gesagt?" "Moment, gleich!" oder "Oooch, das ist nicht wichtig, nur blabla ..." Ich weiß genau, die liebe Familie meint es gut und macht es nicht mit Absicht, die liebe Verwandtschaft ist hilflos oder gedankenlos, die hörenden Freunde lieben mich, aber sind überfordert. Traurig ... aber es fehlt ganz einfach das Verständnis für die Mentalität. Das gleiche früher unter Kollegen: Bitte, du musst unbedingt mitkommen, wenn wir einen trinken gehen ... " und dann ... geh ich doch als erster ... ist nicht böse gemeint, wie Peter schreibt, aber Unterhaltung im Gesprächskreis mit Hörenden ist einfach nicht möglich ohne Gebärdensprache! Eine tolle Erfahrung haben wir mit unserer Theatergruppe inklusiv+exclusiv gemacht: Hörende und Gehörlose, Unterhaltung, Befehle, Regie ... und lachen ... alles in Gebärdensprache! Jeder hat verstanden, jeder konnte sich einbringen und jeder konnte "seinen Senf dazugeben!" Wunderbar! Wenn das in Familie, Verwandtschaft, unter Kollegen und anderen hörenden Freunden klappen würde - Inklusion ganz einfach! Warum klappts eigentlich nicht???
Wirksame Alltagsverbesserungen...aha, wie bitte?
Am 22. August 2018 wurde ein Bericht aus der Saarbrücker Zeitung (Lokales Dudweiler) veröffentlicht, in dem unsere Ministerin Frau Bachmann betonte, dass es seit 2003 wichtige Alltagsverbesserungen für Hörbehinderte gibt.
Dieser Bericht ist im Internet unter https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/dudweiler/ein-leben-im-einsatz-fuer-gehoerlose_aid-30132801 zu lesen. Ich persönlich frage mich, wie es eigentlich sein kann, dass diese Frau das behaupten konnte. Was hat sie mit diesen Verbesserungen gemeint? Eigentlich müssten wir in unserem Alltag Verbesserungen spüren können.
Laut der aktuellen Dolmetscherliste (Stand: August 2018) von der Dolmetscherzentrale in Saarbrücken steht nur eine staatlich geprüfte Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache im Saarland zur Verfügung, womit das Verhältnis ungefähr eins zu (von mir geschätzt) 500 gehörlosen Menschen, die gebärden, ist. Im Vergleich zu anderen Bundesländern bilden wir damit das Schlusslicht.
Außerdem gibt es seit langem einige praktizierende DolmetscherInnen, die sich noch in Ausbildung befinden. Dies ist, als würde ein Arzt, der mit seiner Ausbildung noch nicht fertig ist, seinen Beruf bereits in einer Arztpraxis ausüben, oder? So geht es nicht. Es gab leider ein paar Beschwerden, die oft nicht ernst genommen werden.
Und der Integrationsfachdienst für hörbehinderten Menschen überlässt uns kaum die Auswahl der DolmetscherInnen für Schulungen, Betriebsversammlungen, innerbetriebliche Gespräche usw. Es wurde mir geschrieben, dass sich ein/e bestellte/r DolmetscherIn aus Kostengründen nicht weit entfernt vom Auftragsort befinden soll. Von mir aus ist das ok, aber was ist mit der inhaltlichen Qualität der Übersetzungsleistung, die für diesen Fachdienst überhaupt nicht von Interesse ist? Im Laufe der Zeit gab es eine Handvoll Beschwerden. Ich vermisse die allgemeine Anlaufstelle, die alle Beschwerden bearbeitet bzw. an die zuständigen Stellen weiterleitet.
Auch bei Behördengängen und Arztbesuchen gab es oft Schwierigkeiten, da man kurzfristig fast kein/e DolmetscherIn bekommt, weil sie längst besetzt bzw. vergeben sind. Man müsste sogar Wochen und Monate im Voraus einplanen, wann und wo man eine/n DolmetscherIn bekommen kann. Was wäre, wenn man plötzlich krank wird und zum Arzt gehen muss? Ein/e DolmetscherIn kurzfristig bestellen? Dazu besteht kaum bis gar keine Chance, dann hat man einfach nur Pech!
Im beruflichen Bereich gab es für gehörlose Menschen oft Probleme. Ein Beispiel für einen solchen Problemfall ist, dass ein Antrag von einem Gehörlosen auf Dolmetschleistungen durch ein persönliches Budget vom Landesamt immer aus irgendeinem Grund abgelehnt wurde. Man sagte ihm zum Beispiel, dass er und seine Kollegen miteinander per E-Mail kommunizieren könnten. Das ist aber keine persönliche Direktkommunikation! Ich vermisse die Unterstützung von diesem Amt durch fachgerechte Beratungen usw.
Wie sieht es mit der sozialen und privaten Teilhabe bei uns aus? Kultur-, Freizeit- und einige andere Veranstaltungen sind häufig nicht sprachlich barrierefrei. Wenn wir unbedingt hingehen wollen, dann müssen wir die DolmetscherInnen selbst organisieren und die Kosten weiterhin selbst tragen, ebenso, wenn wir neben diesen Veranstaltungen auch Vorträge, Kurse, Seminare, Beratungen, Geschäftsbesuchen, Konzerte, usw., die privat und auch öffentlich sind, besuchen wollen. Es ist sehr, sehr selten, dass ein/e DolmetscherIn vom Veranstalter bzw. Organisator, der die Kosten auch übernimmt, zur Verfügung steht. Für uns entsteht ein enormer organisatorischer und auch finanzieller Aufwand. Daher müssen wir oft auf Freizeitaktivitäten dieser Art verzichten und vermeintlich dumm zuhause sitzen.
Für gehörlose Eltern eines hörenden Schulkinds/hörender -kinder ist es überhaupt nicht einfach. Nur noch einige wenige Schule im Saarland ist bereit, die Dolmetscherkosten für das Elterngespräch mit den Lehrern, den Elternabend usw. zu übernehmen.
Wo bleibt unser barrierefreier Zugang? Viele wissen nicht, was dieser Zugang für uns bedeutet. Es gibt wirklich noch mehr zu schreiben über Bereiche, die mit Barrierefreiheit zu tun haben. Bei diesem Begriff denken die Nichtbetroffene meist an Rollstuhlfahrer und blinde Menschen.
In letzter Zeit ist das Wort „Inklusion“ in aller Munde. Aber viele wissen nicht, welche Voraussetzung für Inklusion erfüllt sein müssen. Eine wichtige Voraussetzung sind Dolmetscher für deutsche Gebärdensprache oder hörende Menschen, die „fließend“ gebärden können.
Wie bereits gesagt, Dolmetscher bewilligt zu bekommen ist oft ein Kampf – trotz Rechtsanspruch durch die UN-Behindertenrechtskonvention. Außerdem braucht man einen langen Atem und ein dickes Fell.
Noch etwas: Seit kurzem gibt es im ganzen Saarland sechs Beratungsangebote der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB, www.teilhabeberatung.de), jedoch ist es zurzeit nicht möglich, eine Beratung in Deutscher Gebärdensprache (DGS) anzubieten. Hallo, Hallo...? Vergesst uns verdammt mal nicht, wir sind auch da und haben ein Recht darauf, daran teilzunehmen! Andere Bundesländer sind uns in diesem Punkt einen Schritt voraus, dort wurden sogar einige gehörlose FachberaterInnen extra eingestellt.
Ehrlich gesagt: Ich vermisse die Unterstützung der saarländischen Regierung sehr und auch eine gezielte Lobbyarbeit des Landesverbandes der Gehörlosen. Naja, der Vorstand dieses Verbandes arbeitet nur noch ehrenamtlich und kann nicht alles stemmen, da er keine Unterstützungen von außen bekommt (wenn ich mich nicht irre).
Das einzig Positive ist, dass die saarländische 19:20-Uhr-Nachrichtensendung „Aktueller Bericht“ ENDLICH immer untertitelt wird. Unser sehr lang ersehnter Wunsch wurde verwirklicht. Das war für uns ein wichtiger Meilenstein, ansonsten nichts.
Trotzdem bin ich noch am Überlegen, ob ich versuchen soll, mich weiter mit diesem Bericht auseinander zu setzen und eine freiwillige und anonyme Online-Umfrage für gehörlose Menschen im Saarland zu erstellen. Dann können wir sehen, wie gut wir Gehörlosen wirklich an der „hörenden“ Gesellschaft im Saarland teilnehmen können.
Schaut bitte NICHT weg! Wir wollen nicht ständig daran erinnert werden, dass wir oft mit den üblichen und unsichtbaren Alltagsbarrieren im täglichen Leben zu kämpfen haben.
Liebe gehörlosen LeserInnen, was habt ihr dabei gedacht? Auf eure Kommentare würde ich mich freuen! Die restlichen LeserInnen sind auch herzlich willkommen!
Geschrieben von Peter
#4
Name: Sigrid Meiser-Helfrich
Datum: 03. März 2019
Kommentar: zum Thema "Alltagsverbesserungen" noch eine ganz kurze Notiz:
am 23. Februar 2019 war ein Vortrag zum Thema "Soziale Isolation gehörloser Senioren" mit einem gehörlosen Referenten aus Bayern im Bildungs- und Freizeitzentrum für Gehörlose im Saarland in Saarbrücken-Jägersfreude.
Sehr interessanter Vortrag mit vielen Beispielen, was außerhalb vom Saarland möglich ist ... am meisten überrascht hat den Referenten dann aber die Tatsache, dass es im Saarland keine einige Beratungsstelle oder soziale Anlaufstelle speziell für Menschen mit Hörbehinderung gibt. Damit haben wir mal wieder ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland, sogar die "armen" neuen Bundesländer sind hier viel besser versorgt. Noch Fragen ...?
Saarland Inklusiv ... so ein schöner Slogan, aber was ist er wert?
#3
Name: Peter Schaar
Datum: 18. Februar 2019
Kommentar: Ich möchte auch meinen Senf dazu geben. Beim Neujahrsempfang des Landesverbandes der Gehörlosen Saarland e.V. habe ich Frau Hepperle, die für den saarländischen Rundfunk arbeitet und für den Einsatz der beiden Gebärdensprachdolmetscherinnen am Weihnachtskonzert (siehe ein Kommentar #2 von Sigrid Meiser-Helfrich untenstehend!) verantwortlich ist, getroffen und ihr mithilfe einer Gebärdensprachdolmetscherin freundlich gesagt, dass ich es nicht ok fand, dass sie einen Ersatz für den Ausfall beider „MusikdolmetscherInnen“ nicht gesorgt hat.
Sie versprach aber, dass beide Dolmetscherinnen beim nächsten Konzert wieder dabei sein werden, nur weil beide diesmal einfach einmal Pause brauchen. Natürlich hatte ich volles Verständnis dafür, dass beide sich ein bisschen zurücklehnen und warten, bis sie von sich aus wieder Musik übersetzen möchten. Kein Problem, aber....
...ich wollte aber nicht, dass wir von beiden abhängig sind und von diesem Konzert ausgeschlossen werden müssen. Unsere Teilnahme an Veranstaltungen ist ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur Inklusion und bedeutet für uns Unabhängigkeit.
Trotzdem nahm Frau Hepperle mich nicht ernst und sagte, dass beide Dolmetscherinnen eine „Kunst“ seien. Sie meinte, dass beide als einzige die Musik toll übersetzen können, und tat so, als ob ich keine Ahnung von dieser „Kunst“ hätte. Eigentlich kenne ich die Gehörlosenkultur besser, oder? Und ich habe nur kurz darauf angemerkt, dass wir einige Dolmis, die Musik gut übersetzen könnten, kennen und bei der Suche mithelfen könnten. Es hängt natürlich auch von den Kosten ab usw. Sie wollte aber die beiden behalten. Leider wurde das Gespräch mit ihr abgebrochen, da die Gebärdensprachdolmetscherin vom Vorstand des Landesverbandes für ein anderes wichtiges Gespräch unbedingt gebraucht wurde.
Ok, hier also eine kurze Zusammenfassung:
Seit Jahren wird dieses Konzert veranstaltet und es wird immer mit Gebärdensprache angeboten, und die Deafies sind gekommen und konnten die Musik dank „Musikdolmetscherinnen“ begeistert folgen. Deswegen hätten wir aus diesem primitiven Grund nicht auf einmal ausgeschlossen werden sollen.
Was würdet ihr tun, wenn ihr unbedingt zu diesem Konzert geht und eure Kinder, Eltern oder engen Bekannten, die gehörlos sind und auch hingehen wollen, nicht mitkommen könnten, weil sich diese Dolmis ein bisschen zurücklehnen wollen und der Verantwortliche sich um einen Ersatz nicht bemüht hat? Würdet ihr damit sagen, dass ihr dahin geht und wir (dumm) zu Hause herumsitzen sollen, oder?
Klartext: Eine Inklusion bedeutet, dass auch die Gehörlosen die Möglichkeit haben sollen, alle Veranstaltungen mit Gebärdensprache zu besuchen, ohne in die Abhängigkeit von Anderen zu geraten. Es muss leider festgestellt werden, dass die Inklusion, die nichts oder wenig kostet, nicht zu machen ist. Einfach Pech für den „unschuldigen“ gehörlosen Menschen, die nichts dafür können!
Der Artikel 3 sagt: Alle Menschen sind vor dem Grundgesetz gleich. Das bedeutet: Alle Menschen haben die gleichen Rechte. Die Menschen mit Behinderung dürfen nicht benachteiligt werden. Trotzdem werden wir in sehr vielen Fällen von euch behindert.
Hallo, wir beißen euch nicht und wollen nur teilhaben, nicht mehr und nicht weniger!
An Frau Hepperle erinnerte ich mich noch was: Vor ein paar Jahren gab es eine Sitzung beim saarländischen Rundfunk. Sie gab eine freundliche Nachricht für Hörgeschädigte bekannt, dass die Nachrichtensendung am Samstagvormittag erstmal mit Untertitel gesendet wird. Von unserer Seite aus waren wir mit dieser Bekanntgabe nicht einverstanden, weil die „normalen“ Fernsehzuschauer jeden Tag um 19.20 Uhr einen aktuellen Bericht im SR-Fernsehen folgen. Wir Deppen schauen nur am Samstagvormittag eine Zusammenfassung, weil es dort mit Untertitel vorgesehen ist, und blicken bei den aktuellen SR-Nachrichten (ohne Untertitel) unter der Woche ins Leere.
Das war echt sehr diskriminierend, weil wir ein großes Informationsdefizit darüber hatten. Frau Hepperle nahm uns nicht ernst und es blieb bei dieser Entscheidung. Jedoch kam ca. 5 Monate später diese 19:20-Uhr-Sendung mit Untertitel endlich im Angebot. Wie es dazu kam, wissen wir bis jetzt nicht. Höchst wahrscheinlich kam der Befehl dazu von ganz oben.
Es wäre gut, wenn Frau Hepperle ihre Ohren zwei Wochen lang schließen würde und in unserer Welt lebt. Ich wette, dass sie nicht überleben würde.
#2
Name: Sigrid Meiser-Helfrich
Datum: 20. November 2018
Kommentar: noch eine Anmerkung zum Thema "wirksame Verbesserung bzw. Situation DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland":
Seit ca. 3 Jahren kann eine begrenzte Zahl von Gehörlosen am Weihnachtskonzert des Saarländischen Rundfunks teilnehmen, weil das Konzert von DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache begleitet wurde. Eine tolle Initiative des Saarländischeen Rundfunks! Nur: in diesem Jahr 2018 machen die beiden DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache, die das Weihnachtskonzert begleitet haben, Pause. Heißt: Weihnachtskonzert ohne Gebärdensprache, eine schöne kulturelle Veranstaltung fällt für uns Menschen mit Hörbehinderung einfach aus, obwohl sie stattfindet, einfach wegen dem Kommunikationsproblem. Konnten keine anderen DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache angefragt und eingesetzt werden??? Wenn ein Musiker ausfällt, wird auch für Ersatz gesorgt, oder?
Sorry, aber sowas ist typisch ... im Saarland inklusiv
#1
Name: Sigrid Meiser-Helfrich
Datum: 19. November 2018
Kommentar: Den Bericht in der Saarbrücker Zeitung - Ausgabe Dudweiler vom 22. August 2018 - habe ich auch gelesen.
Dass es seit 2003 wirksame Verbesserungen für Gehörlose im Saarland gibt, kann ich so nicht nachvollziehen. Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, ist die Versorgung mit DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache im Saarland nach wie vor prekär. Auf der Liste der LAG - Landesarbeitsgemeinschaft Gebärdensprachdolmetscher - gibt es bisher nur eine Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache, die ihre Ausbildung abgeschlossen hat. Andere GebärdensprachdolmetscherInnen sind noch in der Ausbildung oder arbeiten ohne Ausbildung, sie sind streng genommen gar keine DolmetscherInnen für Deutsche Gebärdensprache, sondern Kommunikationsassistentinnen. Überdies sind fast alle von ihnen noch hauptberuflich in einem anderen Beruf tätig, stehen also nicht regelmäßig zur Verfügung. Es ist schwierig, für die verschiedenen Einsätze eine Gebärdensprachdolmetscherin zu bekommen, oft müssen Termine abgesagt werden weil keine DolmetscherIn zur Verfügung steht. Darüber hinaus haben wir im Saarland die sehr prekäre Situation zum Dolmetscheinsatz für gehörlose Eltern beim Elternabend in der Schule ihrer hörenden Kinder. An weiterführenden Schulen im Saarland wird der Einsatz bzw. die Kostenübernahme dafür nahezu komplett abgelehnt mit der Begründung, Elternabende an weiterführenden Schulen wären keine Pflicht und deshalb besteht von Seiten der Schulträger keine Verpflichtung zur Kostenübernahme. Dies ist milde gesagt eine Sauerei, denn die Eltern wollen den Erziehungsauftrag für ihre Kinder ernst nehmen und die bestmögliche Versorgung und Förderung für ihre Kinder und dazu gehört, dass sie von den Schulen gleichberechtigt alle Informationen bekommen, die dazu nötig sind.
Verbesserungen ... da gibts noch das Problem Gebärdensprachdolmetscherinnen bei Gericht. Bei einer Gerichtsverhandlung wurde eine Dame als Dolmetscherin eingesetzt, die über keinerlei Erfahrung oder Ausbildung verfügte, ihre Qualifikation war, dass ihre Eltern gehörlos sind. Wir haben dann versucht, diese Situation zu verbessern, unsere Schreiben und Bitten zur Diskussion wurden vom Gericht abgeschmettert. Ach ...
Das Saarland rühmt sich mit dem Slogan "Saarland inklusiv", wir Menschen mit Hörbehinderung können davon nur träumen.
Dolmetscher bei der Verbraucherzentrale? Kostenfrage!!! Unabhängige Teilhabeberatung? Gibts nicht mit Gebärdensprache! Notrufsystem? Im Saarland funktioniert das für Menschen mit Hörbehinderung oder Sprachbehinderung immer noch nicht auf die Notrufnummern 110 und 112. Ärztlicher Bereitschaftsdienst? Da gibts nur eine Telefonnummer ... Kulturelle Teilhabe? Beispiele gibt es so viele!
Das Saarland ist Schlusslicht in Sachen Menschen mit Hörbehinderung ... bei DolmetscherInnen, bei der Beratungssitutation, bei der Lobby ... Seit 2003 hat sich nicht wirklich was verbessert!
Ach ... noch etwas: zusätzlich zu meiner Gehörlosigkeit sitze ich im Rollstuhl, mit dem Rolli unterwegs ... da fragen die Leute öfters: "Kann ich Ihnen helfen?" Bei der Kommunikation: Äh ... so ist es ... noch Fragen???
Als Vorsitzende eines Vereins werde ich nahezu täglich mit Problemen von Menschen mit Hörbehinderung konfrontiert, die um Unterstützung bitten. Ich habe nicht die entsprechende Ausbildung dafür, aber die gehörlosen Menschen hier im Saarland wissen nicht, wen sie sonst fragen können, wenn sie Hilfe benötigen. Ich versuche dann zu unterstützen, obwohl es eigentlich nicht meine Aufgabe ist. Und ich glaube, in den anderen Gehörlosenvereinen hier im Saarland läuft es genauso. Deshalb: wirksame Verbesserung? Da müsste mehr getan werden. Und das ist nicht so einfach, denn Menschen mit Hörbehinderung für Menschen mit Hörbehinderung - das läuft alles ehrenamtlich und kann deshalb nie professionell sein so lange sich im Saarland bei Regierung und Sozialdiensten nicht wirklich was ändert.
Über uns:
Mit unserer eigenen Homepage "Schaars gebärden" wollen wir, Andrea und Peter Schaar, einen ersten "Anlaufpunkt" für die Themen Gehörlosigkeit und Gebärdensprache im Saarland bieten.
Wer sind wir?
Peter ist von Geburt an taub und ist mit der Gebärdensprache als Muttersprache aufgewachsen. In der Freizeit gibt er Kurse für Deutsche Gebärdensprache.
Seine Frau Andrea, Mutter von 2 hörenden Kindern, ist mit 2 Jahren durch eine Mittelohrentzündung ertaubt und beherrscht auch die Gebärdensprache. Sie unterstützt ihn bei den Kursen usw..